Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
einen Vergleich mit den zwanziger Jahren skizzieren. Damalswaren Massenarbeitslosigkeit, der Zusammenbruch der Demokratie und das Auf kommen des Nationalsozialismus die Folge strikter Sparpolitik, wie zuletzt der Österreicher Ewald Nowotny zu bedenken gab. Der Mann sitzt im Rat der Europäischen Zentralbank. Warum sperrt sich die Kanzlerin gegen Eurobonds? Braucht eine gemeinsame Währung nicht auch einen gemeinsamen Finanzmarkt? Warum wird den Schuldenländern eine Sparpolitik diktiert, die jedes Wachstum ausschließt? Warum verordnen wir diesen Ländern eine Entwicklung, die sie erst zu den Armenhäusern Europas werden lässt? Würde eine Abschaffung des Euros nicht wieder alte Ressentiments zwischen unseren europäischen Nachbarn auf brechen lassen, die wir eigentlich schon überwunden hatten? Würde sozialer Unfriede in Europa nicht den Ausbruch eines neuen Krieges begünstigen?
Die Kanzlerin verschweigt ihre Probleme und dafür hat sie einen guten Grund. Sie will bei den nächsten Wahlen wiedergewählt werden und darauf zielt ihre Politik ab. Die Mehrheit der Deutschen spürt nichts von der großen Eurokrise, die Arbeitslosigkeit nimmt weiter ab, die Steuereinnahmen steigen noch und die Löhne auch. Die Kanzlerin setzt darauf, dass dieser positive Deutschlandtrend bis zum Herbst 2013 anhält, aber bis dahin werde ich mich wieder einmischen in die Politik. Ich bin oft gefragt worden in den vergangenen Jahren, wann ich richtig einsteigen würde ins Geschäft.
2008 kam Kurt Beck zu Porsche, so wie Gerhard Schröder drei Jahre zuvor. Er war auf seiner »Näher am Menschen«-Tour und der Abstecher zu Porsche zählte sicherlich nicht zu seinen angenehmsten Pflichten an diesem 27. Juni. Er hatte sich zuvor in Wolfsburg stark gemacht für eine Neuauflage des VW-Gesetzes, in dem es um die Sperrminorität von 20 Prozent ging. Sowohl die EU als auch Porsche lehnten dasGesetz vehement ab. Beck handelte sich in Zuffenhausen dafür einen Rüffel von Finanzchef Härter ein, anschließend lobte er Porsche für seinen unternehmerischen Weitblick, bei VW investieren zu wollen. Höflichkeitsfloskeln wurden ausgetauscht, Kurt Beck gestand, dass er schon als Junge von einem Porsche geträumt habe, dann war ich in bewährter Form an der Reihe. »Ich bin stolz, in der SPD sein zu dürfen und ich werde sehr stark für die SPD kämpfen«, bot ich ihm meine Unterstützung für den Bundestagswahlkampf an. Aus dem Plenum wurde die Frage laut, ob der Kanzlerkandidat meine Offerte annehmen würde. »So eine Gelegenheit werde ich mir doch nicht entgehen lassen, sonst wäre ich ja blöd«, antwortete der Pfälzer. Der zweiten Frage, ob denn im Falle eines Wahlsiegs ein Ministerposten für Uwe Hück vorgesehen sei, wich er aus: »Jetzt gehen wir erst mal gemeinsam auf die Jagd, dann muss der Bär erlegt werden und dann erst verteilen wir sein Fell.« Ich wusste damals schon aus der Zentrale im Willy-Brandt-Haus, dass die SPD einen Kandidaten suchte, der die Sprache der Arbeiter sprach. Sie suchten einen wie mich, der glaubhaft und authentisch in die Wählerkreise vordringen konnte, die zur Linken abzuwandern drohten. Viele fragten sich damals bereits, ob es denn überhaupt noch Arbeiter gäbe in der Arbeiterpartei und die Frage war berechtigt. Die andere Sorge, die ich bei meinen Wahlkampfauftritten immer wieder hören musste, war ernster: »Ist die SPD überhaupt noch zu retten?« Der glatzköpfige Hüne aus Zuffenhausen würde sie retten, so schrieben der Focus , die Süddeutsche und der Stern . Plötzlich war ich die »Geheimwaffe der Genossen«, der »Joker gegen die Linkspartei«, die »wortgewaltige Rampensau«.
Anfang November 2008 empfing mich Franz Müntefering persönlich in Berlin. Wir führten ein sehr vertraulichesGespräch und uns beiden war klar, wie schwer es werden würde für die SPD. »Münte« schätzte meine kampf betonte Art, die besonders bei jungen Menschen gut ankam, davon hatte er ja schon drei Jahre zuvor geschwärmt. Inzwischen aber war Hartz IV zum Schreckgespenst einer verunsicherten Bevölkerung geworden und die von Guido Westerwelle geführte FDP versuchte, mit Billigpolitik Kapital aus den Ängsten der Bürger zu schlagen. Wir hatten es versäumt, rechtzeitig Korrekturen der Schröderschen Politik vorzunehmen. Die SPD, die für mich immer noch die größte Kompetenz in der Sozialpolitik verkörperte, hatte mit der Agenda 2010 ein Haus gebaut, um den Sozialstaat zu retten. Dabei ist allerdings übersehen
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