Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
schrieb, mutmaßte in seinem Artikel, dass es eine Seelenverwandtschaft zwischen Schröder und Hück geben müsse, weil wir beide ohne Vater aufgewachsen sind. Wir haben nie darüber gesprochen, aber ich glaube, dass uns die Kindheit ohne Vater zu härteren Kämpfern gemacht hat, wenn auch heute an ganz verschiedenen Orten.
Ich hatte in der Zeit nach 2005 oft überlegt, ob ich mich nicht ganz auf die Politik konzentrieren sollte, an Ermunterungen aus Berlin hat es nie gefehlt. Wann immer ich aber meine Freunde in der Porsche-Belegschaft in meine Pläne einer möglichen Veränderung einbezog, erhielt ich das umgehende Veto: »Uwe, mach bloß keinen Scheiß, bleib bloß bei uns in Zuffenhausen!« Ich blieb. Mein Bild von der Berufspolitik war ohnehin nicht mit goldenem Pinsel gemalt. Oft verglich ich die Parteien mit Fußballmannschaften unddie Politiker mit Spielern, die sich nicht sicher sein konnten, ob sie am nächsten Wochenende aufgestellt werden. Ich habe zu viele kennengelernt, denen nicht mal ein Sondertraining weitergeholfen hätte, um in die erste Elf zu gelangen. Wenn ich nur daran denke, wer alles in den Zeiten der sogenannten Eurokrise an den abenteuerlichen Rettungsplänen herumdoktern durfte, bekomme ich schon Abstiegsangst! Kleine Amateure, die den Heuschrecken und Profiteuren eines unmoralischen und kriminellen Finanzkapitalismus erfolgreich entgegentreten wollen. Angeführt von einer wankelmütigen Bundeskanzlerin, deren Krisenmanagement zwar zu den sonderbarsten Allianzen geführt hat, deren Erfolg aber bis heute ausgeblieben ist. Ich achte die Bundeskanzlerin und ich weiß, in welchen politischen Schwierigkeiten sie steckt. Dennoch befürchte ich, dass ihre Strategien zur Bekämpfung der Finanzkrise unserem Land eher schaden als nutzen werden. Wer in dieser ernsten Krise immer wieder »Verständnis für die sensiblen Märkte« einfordert, muss sich fragen lassen, ob er in den letzten Monaten nicht den Blick für die Nöte der Menschen hierzulande verloren hat. Frau Merkel schwebt über den Problemen dieses Landes und die Menschen haben sich schon im vergangenen Jahr gefragt, ob die Krise nicht eher eine Bankenkrise denn eine Eurokrise ist. Immerhin schaffte es die Bundeskanzlerin, in ihrer Regierungserklärung Anfang Dezember 2011 einzuräumen, dass den Menschen das Vertrauen in die Politik abhanden gekommen ist und dass dieses Verhältnis möglicherweise auf Jahre hinaus zerstört worden ist. Wen sie mit »Politik« gemeint hat und wer dafür verantwortlich zu machen ist, blieb in den Schwaden ihrer nebulösen Rede verborgen.
Das Schlagwort vom »deutschen Dilettantismus« zieht durch Europa, denn die Bundeskanzlerin verlangt von den anderenLändern mehr Reformen, als sie bereit ist, in Deutschland umzusetzen. In Frankreich wird die deutsche Bundeskanzlerin mit Bismarck verglichen, in Griechenland mit Hitler und ein Politiker wie Volker Kauder heizt die Ängste vor einem neu entfachten Nationalismus mit einem geradezu skandalösen Satz an: »Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.« Der Mann ist Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, in meinen Augen hat er die Würde unserer ausländischen Freunde verletzt. Ich warte schon auf den Tag, an dem Kauder eine deutsche Leitkultur für Europa fordert, nur weil Großbritannien sich einer Finanztransaktionssteuer versperrt. Es sind die politischen Leichtgewichte, die Frau Merkel daran hindern, mehr Gewicht in Europa zu erlangen. Diese Lindners, Röslers und Brüderles, Juniorpartner einer Mannschaft, die immer häufiger den Eindruck erweckt, sie bettele um den Schlusspfiff. Hat das zögerliche Krisenmanagement von Angela Merkel die Lage nicht erst verschärft? Hat das Abwarten gegenüber Griechenland das Land nicht erst in eine gefährliche Rezession gestürzt?
Wird die Fiskalunion, in der kleine Länder keinen Platz mehr haben sollen, Europa nicht erst recht spalten? Warum tritt die Kanzlerin nicht energischer einer in Deutschland auf kommenden öffentlichen Meinung entgegen, dass ein Austritt aus der Eurozone die wahrscheinliche Lösung unserer Probleme wäre? Die Rückkehr zur Deutschen Mark wird plötzlich ein Thema für die Menschen, die glauben, damit der Katastrophe entgehen zu können, wenn die bankrotten Euroländer ihre Kredite nicht zurückzahlen werden. Deutschlands Rolle in Europa beschert uns inzwischen wieder den Ruf einer Imperialmacht. Die bedingungslose Spardoktrin lässt international renommierte Ökonomen immer häufiger
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