Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
sich hin. Ihre Augen, die im Spiegel weit weg zu sein schienen, sind nur noch Zentimeter von seinen entfernt. Sie wirken hypnotisch, überwältigend.
»Anata wa randamu de wa nai, Cam« , sagt sie. »Anata wa interijento ni sekkei sa rete imasu.« Und Cam weiß, was das heißt. »Du bist kein Zufall, sondern ein intelligenter Entwurf.« Er hat keine Ahnung, was für eine Sprache das ist, trotzdem versteht er es.
»Jeder Teil von dir ist handverlesen, stammt von den Besten und Klügsten«, erklärt Roberta. »Ich war bei jeder Umwandlung dabei, damit du mich sehen konntest, mich hören konntest und mich kennen würdest, wenn erst alle Teile vereint wären.« Sie denkt einen Augenblick nach und schüttelt dann traurig den Kopf. »Diese armen Kinder waren gestört und wussten nicht, wie sie die Begabungen, die ihnen geschenkt worden waren, nutzen sollten – aber jetzt, im geteilten Zustand, können sie endlich vollkommen sein, durch dich!«
Als sie von der Umwandlung spricht, prasseln Erinnerungsfragmente auf ihn ein.
Ja, er hat sie gesehen!
Sie stand über den Operationstisch gebeugt, ohne chirurgische Gesichtsmaske. Sie wollte ja, dass er sie sieht und sich an sie erinnert. Aber es war nicht nur ein Operationssaal, nicht wahr?
Ein und dieselbe Erinnerung
aus vielen verschiedenen Orten in seinem Geiste.
Aber es ist doch nicht sein Geist?
Es ist ihr Geist.
Sie alle
weinen.
Bitte, bitte mach, dass das aufhört!
Bis keine Stimme mehr da ist,
kein Geist mehr schreit.
In diesem einzigartigen Moment
wird »Ich bin« zu »Ich bin nicht …«
Er atmet tief und zitternd ein. Diese letzten Erinnerungen sind nun Teil von ihm, fest vernäht wie die Haut auf seinem Schädel. Sie sind unerträglich, und doch erträgt er sie. Erst jetzt wird ihm bewusst, wie stark er sein muss, wenn er die Erinnerungen von hundert Wandlern in sich vereinen kann, ohne zu Staub zu zerfallen.
Roberta zeigt ihm die reiche Ausstattung des Hauses über den Klippen. »Wie du an deiner Umgebung erkennen kannst, haben wir eine große Finanzkraft im Rücken, damit du weiter wachsen und gedeihen kannst.«
»Finanzkraft? Von wem?«
»Von wem, spielt keine Rolle. Es sind Freunde. Nicht nur deine Freunde, sondern Freunde einer Welt, in der wir alle leben möchten.«
Und obwohl er nun die Zusammenhänge zu erkennen und sein Leben Gestalt anzunehmen beginnt, plagt ihn noch eine letzte Frage.
»Mein Gesicht … es ist schrecklich …«
»Keine Sorge«, sagt Roberta. »Die Narben werden verblassen – die Wirkstoffe, die die Heilung beschleunigen, entfalten bereits ihre Kraft. Bald werden die Narben völlig verschwinden, und dort, wo die Transplantate aufeinandertreffen, bleiben nur hauchdünne Linien. Vertrau mir. Ich habe gesehen, wie du einst aussehen wirst, Cam, und es ist grandios!«
Er fährt mit den Fingern die Narben auf seinem Gesicht entlang. Sie verlaufen nicht kreuz und quer, wie er zuerst gedacht hat, sondern symmetrisch. Die verschiedenen Hauttöne bilden ein Muster. Nach einem ausgeklügelten Entwurf.
»Wir haben bewusst entschieden, dir von jeder Volksgruppe etwas zu geben. Vom hellsten kaukasischen Siena bis hin zu den dunkelsten Umbra-Tönen Afrikas. Hispanisch, asiatisch, isländisch, indianisch, australid, indisch, semitisch – ein fantastisches Mosaik der gesamten Menschheit! Du bist jedermann, Cam, und dein Gesicht trägt das nach außen. Ich verspreche dir, wenn die Narben verheilt sind, wirst du ein neues Schönheitsideal verkörpern! Du wirst ein leuchtendes Beispiel sein, die größte Hoffnung der Menschheit. Du wirst es allen beweisen, Cam, durch deine bloße Existenz wirst du es ihnen beweisen!«
Während er über diese Worte nachdenkt, beschleunigt sich sein Herzschlag. Er stellt sich die vielen Wettbewerbe vor, die dieses Herz bereits gewonnen hat. Und obwohl sich in seinem Geist keine Erinnerung daran findet, dass er einst ein hervorragender Schwimmer war, weiß sein Herz Bescheid. Es sehnt sich zurück ins Schwimmbecken, so wie sich seine Beine nach der Aschenbahn sehnen.
In diesem Moment allerdings geben diese Beine erst einmal unter ihm nach. Als er auf dem Boden aufschlägt, fragt er sich, wie er da hingekommen ist.
»Das waren zu viele Eindrücke für einen Tag«, befindet Roberta.
Die Wachleute, die von der Tür aus zugesehen haben, eilen herbei und helfen ihm hoch.
»Alles in Ordnung, Sir? Sollen wir Hilfe rufen, Ma’am?«
»Das wird nicht nötig sein. Ich kümmere mich um ihn.«
Sie bringen ihn
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