Volles Rohr
keine zwölf Stunden dauern würde. Die Mitteilung war ziemlich vage gehalten. Hoa würde sie nicht verstehen. Aber Bart.
Während wir warteten und beobachteten, wie
Vietnamesen an die Hintertür kamen, um billigen Reis zu kaufen, hielt ein Motorroller neben dem Müllcontainer.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich der Fahrer
vorbeugte, und dachte mir, er würde das Schloß
absperren. Dann stach mir der Geruch von Kotze in die Nase. Ich linste rüber. Es war Hoas Hilfskellner.
Zusammengekrümmt reiherte er auf den Asphalt.
Ich konnte nicht hinstarren, sonst hätte er mich vielleicht erkannt. Also ließ ich mich in den Sitz zurücksinken und drehte mich weg. »Jim, der Typ da auf dem Motorroller -
kannst du mal schauen, ob er einen Hautausschlag hat oder so was?«
»Er ist angezogen, S. T. Im Gesicht hat er jedenfalls nichts.«
Boone kam aus der Hintertür und bemerkte ihn. Der
Hilfskellner stieg langsam von seinem Roller ab. Er war blaß um die Nase und sah so aus, als hätte er alles satt.
Boone sprach ihn an. Dann kam er zu uns.
»Er hat's«, sagte Boone. Mehr brauchten wir nicht.
Ein neuer Toxinschub also. Die Geschichte wurde immer mysteriöser. Der Notauslaß an der Dorchester Bay
konnte ja wohl nicht das Wasser bei der Fischerpier
kontaminieren. Er war viel zu weit weg.
Ich hatte genug Spurensuche betrieben, um eine Idee zu haben. Wenn es in der Nähe dieser Pier einen anderen Notauslaß gab, aus dem organisches Chlor kam, dann
mußte es irgendwo im Norden eingeleitet worden sein.
Wir fuhren an einer Telefonzelle vorbei, und ich dachte zum x-ten Mal an Dolmacher. »Das müßte für dich so was wie der Heilige Gral sein … ich stehe im
Telefonbuch.« Ich hatte seine Nummer schon mal nachgeschlagen und wußte, wo er wohnte: irgendwo im
Norden. Ein sehr vager Zusammenhang, aber auf meiner Prioritätenliste stand sowieso ein Besuch bei dem armen Irren. Wir hielten bei der Telefonzelle, ich notierte mir seine Adresse, und dann fuhren wir über den Fluß.
Jim setzte Boone und mich an verschiedenen Punkten ab, parkte dann irgendwo, und wir näherten uns dem Haus
auf getrennten Wegen. Bei Dolmacher brannte kein
Licht; dies war nicht die Art Gegend, in der man es
anlassen mußte, wenn man wegging. Nicht daß sie feudal war, nur nett, ein bißchen weitab vom Schuß und sehr gemütlich. Wir waren hier die einzigen Kriminellen.
Was man der Tatsache entnehmen kann, daß wir durch
ein Kellerfenster in Dolmachers Haus einbrachen. Ich trug Gummihandschuhe, und die anderen faßten nichts
an. Wir wollten kein Licht anmachen, und es sieht
verdächtig aus, wenn man mit Taschenlampen in einem
leeren Haus rumgeistert, also stolperten wir beim matten Schein meines Feuerzeugs durch die Räume.
Der Keller paßte genau ins Bild: Auf der
Tischtennisplatte war ein großes Kriegsspiel aufgebaut.
Die Vereinigten Staaten wurden via Kanada angegriffen, und Dolmacher schlug die roten Teufel mit rauschendem Erfolg zurück.
Wir gingen nach oben, um einen Blick auf seine
Sammlung von elektronischem Spielzeug sowie seine
Waffen- und Militärbücher zu werfen. Jim bemerkte ein Nachtlicht im Bad und sah schnell mal nach. Boone und ich schauten uns im Wohnzimmer um, das in Dolmacher-Postmoderne eingerichtet und außerdem mit leeren
Pizzakartons und gebrauchten Papierservietten übersät war.
»Heilige Scheiße, das gibt's doch nicht«, sagte Jim im Bad, und wir strömten hin. Unterwegs stolperte ich über etwas, das umkippte und seinen Inhalt auf den Boden
spuckte: ein halbvoller Sack Aquariumkohle. Es versteht sich von selbst, daß Dolmacher kein Aquarium hatte.
Dann beäugten wir das Bad im braunen Gefunzel des
Nachtlichts. Hier stank es zum Himmel. Das nächste, was mir auffiel, war ein halbes Dutzend gebrauchter Spritzen auf der großen Waschbeckenablage. Dann die Flaschen.
Viele, viele Pillenflaschen. Ich las die Etiketten. Alles Antib iotika. Das ganze Bad roch nach Tod und Chlor; auf der Toilette stand eine halbvolle Plastikflasche mit Wäschebleiche, und im Abfalleimer lag eine leere. Ich beugte mich vor - was tut man nicht alles für die
Wissenschaft - und beschnupperte Dolmachers Klo. Er hatte Wäschebleiche reingekippt. Das war anorganisches Chlor, die harmlose Variante, nicht das kovalente
Teufelszeug, das wir suchten. Er desinfizierte seinen Lokus damit.
Dolmacher war krank, wirklich krank. Er hatte Probleme mit irgendwelchen Bakterien im Verdauungstrakt. Er
wußte, daß er Probleme hatte,
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