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Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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ein Interview nach dem anderen, klang schmerzlich berührt und schockiert und irgendwie
    traurig, und den Medien ging es runter wie Öl. Sie
    stellten ihn als eine Art nachgeborenes Blumenkind in schwarzem Leder dar. Der Mann konnte alles überleben.
    »Ich muß weg von hier«, sagte ich zu Jim.
    »Warum?«
    »Weil sie mich früher oder später finden werden. Ich meine - ich bin doch jetzt ein hochoffizieller Terrorist, oder?«
    »Mit Brief und Siegel der US-Regierung.«
    »Richtig. Und sie können eine Menge im Namen der
    nationalen Sicherheit tun. Sie können auf die Verfassung pfeifen. Sie können Schnüffler einsetzen, Green Berets, Bundespolizei, Secret-Service-Leute, Special Forces.
    Früher oder später werden sie mein Zode finden. Und
    dann riegeln sie die Berge einfach ab, und ich kann nicht mehr raus.«
    »Sie riegeln die Berge ab? Beleidige mich nicht.«
    »Jedenfalls werden sie das Zode finden.«
    »Schauen wir mal«, sagte Jim.
    Aber erst standen andere Dinge auf dem Programm. Ich rasierte meinen Bart ab und schnitt mir die Haare. Ich hatte fast zehn Kilo abgenommen, was ebenfalls hilfreich war. Jim besorgte mir neue Kleider. Die Sonne schien, also konnte ich mit gutem Recht eine Sonnenbrille
    tragen. Wir liehen uns ein Boot mit Anhänger und fuhren zu dem kleinen See, in dem ich das Zode unter einer
    überhängenden Krüppelkiefer versenkt hatte. Wir
    suchten eine Stelle, an der wir das Boot zu Wasser lassen konnten, und ruderten auf die Kiefer zu.
    Der See war hier nur sieben Meter tief, und wir konnten fast bis auf den Grund sehen. Nichts. Jim ging mit
    Taucherbrille und Schnorchel runter. Nichts.
    » So stoned war ich nicht«, sagte ich. »Ich habe das Zode hier versenkt, weil ich mich an der Kiefer orientieren konnte. So eine gibt es nicht noch mal, die vergißt man nicht.«
    »Aber da ist nichts, verdammt noch mal«, sagte Jim.
    Schließlich tauchte ich selbst. Jim war dagegen, aber ich fühlte mich inzwischen stark genug für einen kurzen
    Unterwasserausflug. Zwar war mir die meiste Zeit
    schlecht dabei, aber wenn einen die Panik schüttelt, kommt man so ziemlich über alles weg. Und Jim hatte
    recht. Das Zode war verschwunden. Fast hätte ich mir eingeredet, daß wir an der falschen Stelle gesucht hatten, da sah ich einen schwarzen Klecks auf dem Grund. Ich ging ganz runter: Roscommons Revolver.
    »Wenn die Cops es gefunden hätten, wären sie mit ein paar bewaffneten Sonderkommandos zur Bergung
    angerückt, stimmt's? Dann hätten wir Fußspuren und
    Kippen am Ufer gesehen.«
    Es war aber nichts am Ufer. »Außer da drüben, wo du
    versucht hast, deine Spuren zu verwischen«, sagte Jim.
    »Okay. Laß mich einen Moment nachdenken.«
    Schließlich überzeugte mich Jim davon, daß es wirklich nichts zu sehen gab. »Vielleicht hat einer von den
    Winnepesaukees das Zode gefunden. Das ist Gold wert.
    Wenn ich es gefunden hätte, hätte ich es mir auch unter den Nagel gerissen.«
    »Das ist ein Verwirrspiel. Ich weiß nicht, ob wir
    zurückkönnen. Vielleicht warten die Cops schon auf
    uns.«
    »Ausgeschlossen, S. T. So raffiniert sind die nicht. Das würdest du vielleicht machen.«
    Er hatte recht. Aber ich hatte es nicht gemacht, also half mir das nicht weiter. Und hier am Ende der Welt konnten auch nicht so furchtbar viel Koordinatoren für direkte Aktionen rumlaufen.
    Jim versicherte mir, daß ich nicht zu erkennen war, daß wir ohne weiteres in die Stadt fahren und eine Tasse Kaffee trinken konnten. Ich wollte keinen Kaffee, weil ich so einen verdammt nervösen Magen hatte. Trank
    Milch statt dessen. Wir saßen da und beobachteten, wie der Verkehr vorbeitröpfelte. Jim zupfte plötzlich an meinem Ärmel und zeigte auf den Fernseher in der Ecke.
    Mein Zodiac. Kieloben. In Neuschottland
    angeschwemmt. Keine Fußspuren.
    Dann Schnitt und eine Karte mit der Legende »Geplante Fluchtroute«. Sie führte von Boston nordwärts an der Küste entlang auf Maine zu und knickte auf halbem Weg nach Osten ab, in Richtung Neuschottland. Auf dem
    dritten Viertel dieser Etappe kam eine Unterbrechung, markiert von einem Fragezeichen und einer Sturmwolke.
    Es folgten die obligatorischen Bilder von Hubschraubern der Küstenwache, die das Meer absuchten, von
    Küstenwachbooten, die am Ufer kreuzten und Ausschau
    nach Leichen hielten, über Bord geworfene
    Reservekanister auflasen, angeschwemmte Luftkissen
    inspizierten.
    »Einen Tag, nachdem wir dich gefunden hatten, gab's
    einen wüsten Sturm«, sagte Jim.

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