Vollidiot
uns?«
»Mejor. Also, auf uns!«
Mein Puls beschleunigt sich ohne meine Erlaubnis. Die Frau ist toll, ohne Wenn und Aber. Ich weiß nicht, warum, aber wir trinken das Weinglas beide auf Ex aus. Alles, was dann kommt, ist lustig, angenehm und einfach nur schön. Wir trinken und quatschen über dies und das. Wir loben den Mond für seinen romantischen Beitrag zu unserem Abend und singen die kanarische Version unseres Lieb-lingsliedes Biene Maja:
»En un pais unbekaaaant... «, stimme ich an, »hace ziemlich poco tiempooo ...«
»Fuera eine Biene bien bekaaaannt ...«, ergänzt sie mit ernster Miene, aber stimmlich perfekt. Das macht die Animateurerfahrung. »Sesa Biene que yo meine se llama Majaaaa ...«
Wir bekommen einen Lachanfall nach dem anderen, öffnen die zweite Flasche Wein, imitieren den paranoiden hessischen Banker, Tante Käthe und Maik, den alkoholkranken Tennisossi. Alles läuft 100%ig nach Plan. Sie verliebt sich in mich. Als Körpersprachexperte merke ich so was eben gleich. Das Lachen, die Blicke, alles steht auf »Go!«. Außerdem hat sie mich schon dreimal am Bein berührt. Ich bin eben kein »Hey, willste ficken«-Penner. So was merkt man bzw. frau. Noch ein Stündchen, dann werde ich ihr meine Adresse in Köln dalassen und mich mit einem Bussi auf die Stirn verabschieden.
Dachte ich mir so.
Ist aber nicht.
»Simon, ich will mit dir schlafen!«
Mit Weinglas, Kippe und einem schockgefrosteten Lächeln krache ich auf die Klippen vor der Wassersport-Station.
Man sagt ja, dass kurz vor dem Tod noch mal das ganze Leben an einem vorbeizieht. Bei mir ziehen zwar nur die sieben Urlaubstage vorbei, dennoch falle ich in ein mehrsekündiges Konversationskoma. Ein weiterer Reisebus donnert über die Fvumgehungsstraße. Da säße ich jetzt gerne drin. Egal, wohin er fährt. Und um alles noch viel schlimmer zu machen, greift Aneta nach meiner Hand und haucht mir ins Ohr:
»Jetzt!«
Da. Noch ein Bus. Aus Holland, glaub ich. Da brauchen die ja Tage hier runter auf die Kanaren! Und das bei diesem mickrigen Sitzabstand! Gerade, wenn man so groß ist wie ich! Ich räuspere mich und quietsche:
»Aber warum ... ich meine, warum denn jetzt?« Toll, Simon. Du hast einen ganzen Satz gesagt!
»Ich hab Lust auf dich! Und ... na ja ... zu deiner Beruhigung ... Weil du morgen fliegst.«
»Wie? Weil ich morgen fliege?«
Ich zünde mir zitternd eine Zigarette an.
Was ist das für ein Gott, der so was zulässt? Und wie zum Teufel kam ich Vollidiot eigentlich noch gleich auf die Idee, mir drei Mal einen runterzuholen? Da ich mir diese Fragen leise stelle, können sie Aneta auch nicht davon abhalten, sich auf meinen Schoß zu setzen und mir einen sehr feuchten Beruhigungskuss zu geben. Ich kann sehen, dass sie unter ihrem Rock nichts anhat. Ich nehme es als Tatsache zur Kenntnis, nicht als Mann. Danke, WMF!
»Hey! Ich will mit dir schlafen, nicht dich heiraten. Und ich hatte das Gefühl, dass du das auch gerne möchtest ...«
»Aber du kommst doch nach Köln!«, fiepe ich kleinlaut.
»Sobald mein Freund die Wohnung klargemacht hat!«
Vor meinem inneren Flachbildschirm sehe ich, wie mir der Clubchef die Einsamster-Mensch-des-Clubs-Medaille vom Hals reißt und mir eine Größter-Vollidiot-der-Clubgeschichte-Medaille umhängt. Was würde ich nicht jetzt für einen Scharfschützen auf dem Dach der Surfstation geben, der mich einfach so, kurz und schmerzlos, umnietet. Doch Scharfschützen kosten viel Geld, und das hab ich alles im Club versoffen.
Sie streicht mir durchs Haar.
»Komm, wir gehen rein!«
Das ist der Punkt, an dem ich die weiße Fahne aus dem Fenster hänge, der Punkt, an dem ich mich meinem Schicksal beuge. Aber: Man hat schon Menschen trotz weißer Fahne erschossen, das weiß ich. Wie ein Kleinkind am ersten Schultag lasse ich mich ins Schlafzimmer führen und mich aufs Bett fallen. Während ich mir in Gedanken gerade den Strick Hängan um meinen Hals hänge und den Stuhl zurechtrücke, streift die erotischste Frau des Clubs ihren Rock ab und schmiegt sich an mich. Man kann Aneta wirklich nicht vorwerfen, dass sie sich nicht bemüht, mir zu einer Erektion zu verhelfen. Genau genommen probiert sie sogar alles, was ich jemals bei Liebe Sünde und auf den Videos von Phil gesehen habe, und unter normalen Umständen hätte ich womöglich eine der schärfsten Liebesnächte meines Lebens. Doch so ...
Ich versuche, an WMF zu denken, doch es hilft alles nichts. Hier ist er, der peinlichste Ständersupergau
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