Vollidiot
schüttelt sie zögerlich, schaut dabei aber nicht Lala, sondern mich an.
»Lala? Wie? Macht sauber?«
»Lala ist meine Putzfrau«, erkläre ich.
»Deine Putze? Verarschst du mich?«
Je weniger ich so schaue, als würde ich sie verarschen, desto mehr weicht das Sanfte aus ihrem Gesicht. Auch Lala wirkt eine Ecke kühler, als sie sich gegen die uncharmante Frage verteidigt.
»Hab ich Schlüssel vorbeigebracht und dann Karte gekauft. Gehe ich auch aufs Konzert, aber alleine, musst du keine Angst haben um Simon! «
»Lasst uns doch mal reingehen, fängt sicher gleich an!«, lautet mein von beiden Seiten ignorierter Schlichtungsversuch.
»Der hat mir die Karte geschenkt, das ist nicht mein Freund, okay!?«, kontert Marcia schnoddrig. Irgendwie ist mir dieser Tonfall bisher entgangen. Liebe macht offenbar nicht nur blind, sondern auch noch taub.
»Hab ich ja nur gesagt, dass ich euch nicht stören will!«, faucht Lala zurück. Huh! Ich hab sie das letzte Mal so böse gesehen, als ich behauptet habe, sie hätte meine Terrakottavase kaputtgemacht. Ich reiche Marcia ihren Prosecco. Ohne sich umständlich zu bedanken, schnaubt sie in Richtung Konzerthalle. Eine Sekunde lang stehe ich mit offenem Mund da, dann renne ich ihr nach.
»Ja, genau, lass uns mal reingehen!«, rufe ich verzweifelt hinterher und winke Lala, dass sie mir folgen soll. Nach ein paar Metern haben wir Marcia eingeholt und wühlen uns zu dritt durch Hunderte von Leuten. Meine Fan-Vorahnung bestätigt sich. Bei jedem anderen Konzert kriegt man pro Reihe wenigstens ein »Heyyyyy ...« oder »Drängler!« an den Kopf geschmissen. Die Fanta-Vier-Fans treten hingegen einen Schritt zur Seite und lächeln noch bräsig dazu.
»Wilsch vorbei? Glar, vorne siehtma bessa! Hahaha ...«
Als wir uns schließlich für einen Platz direkt vor dem Mischpult entschieden haben, zupft mir Lala am Hemd und flüstert mir ein »Is schlechte Frau, Simon!« ins Ohr. Kurz darauf ergänzt sie: »Hat schwarze Herz!«
Ich weiß zwar nicht, was ein schwarzes Herz ist, aber etwas Gutes ist es nicht, das kann ich mir schon denken. Ein paar Roadies positionieren noch einige Instrumente auf der Bühne. Jeder Einzelne wird frenetisch gefeiert. Lala steht unglücklicherweise zwischen mir und Marcia, geht aber einen Schritt nach vorne, als sie dies bemerkt. Marcia schafft es trotzdem, mich zu ignorieren. Hey! Ich habe ihr immerhin die Karte hierfür geschenkt. Warum schaut sie dann so, als hätte ich ihr gerade einen Backstein in ihr Küchenfenster gedonnert? Ich weiß in der Zwischenzeit auch nicht mehr so recht, wie ich mich fühlen soll. Eines ist aber ganz sicher: Die Frau, die neben mir steht, ist eine andere als die, in die ich mich verliebt habe. Noch bin ich aber nicht bereit, alles hinzuschmeißen. Gut, sie ist distanziert und irgendwie prollig. Sie sieht aber immer noch umwerfend aus. Lala hat sie irritiert. Und ich ... ? Vielleicht ist sie ja tatsächlich nur scharf auf die Karte gewesen?
Das Licht fährt runter, und unter lautem Gejohle kommen jede Menge Musiker auf die Bühne. Lala und ich schreien und klatschen ... Marcia tippt auf ihrem Handy herum, ohne aufzuschauen.
»Es geht los!«, rufe ich ihr zu. Sie nickt. Die Information kam also an und wurde verarbeitet. Immerhin. Die Streicher legen los, und Sekunden darauf kommt auch Thomas D auf die Bühne, ganz in weißen Stoff gehüllt. Lala informiert mich schreiend darüber, dass aus dem Stoff Rotweinflecken so gut wie nicht wieder rauszukriegen sind. Thomas D setzt sich auf einen Hocker und sagt: »Hallo, Düsseldorf!« Witzbold. Nachdem sich das Pfeifkonzert gelegt hat, sind die ersten Takte von Le Smou zu hören. Der Mob johlt und klatscht. Hut ab, die Jungs haben den Saal schon jetzt im Griff.
»Die da?«, schreit Lala zu mir herüber.
»Neee ... aber bestimmt später!«, schreie ich zurück. Als ich mich wieder zu Marcia drehe, ist sie verschwunden. Einfach so. Ohne ein Wort zu sagen. Das war fix. Sie wird schon wiederkommen. Wir hören Neues Land, Die Stadt, die es nicht gibt und Millionen Legionen. Von Marcia ist weit und breit immer noch nichts zu sehen. Ich überlege mir, ob mich das noch stört, so komisch wie alles bisher war, komme aber zu keinem Ergebnis. Wenigstens hat Lala ihren Spaß. Sie hopst inzwischen mit tausend anderen zum Picknicker und lacht immer wieder auffordernd zu mir herüber. Aber ich will nicht mithopsen. Ich will wissen, was hier los ist. Als die ersten Takte von Tag am Meer
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