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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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ich Sekunden später, als Lala die Frage wiederholt und mit einem gewissen Rhythmus versieht.
    »Dieda, dieda, dieda ... die roten Pulli anhat? Oder die-da? Hahaha! Kenn ich von CD-Maschine. Is gut!«
    Da ich nicht weiß, wie voll der Posteingang des lieben Gottes heute schon ist, schicke ich ihm nur ein Stoßgebet in SMS-Länge: »Lieber Gott, bitte nicht!«
    Der Posteingang ist sehr voll.
    »Meinst du, es gibt noch Karte?«, fragt mich Lala mit großen Augen.
    »Pfff ...«, sage ich, »kann schon sein, musst du mal ein paar Leute fragen ...«
    »Ahhh ... schwarze Markt!«, freut sie sich. »Da schau ich man« Spricht's und bahnt sich ihren Weg durch die Leute, noch bevor ich sie davon abhalten kann. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass an diesem Tag nicht wirklich alles nach Plan läuft. Aber ich bleibe optimistisch.
    Lala wird keine Karte mehr bekommen. Das Konzert ist seit Wochen ausverkauft. Ich kann mich also beruhigen. Wenn Lala das nächste Mal bei mir sauber macht, stelle ich eine schöne Flasche Wein auf den Tisch, lege noch zehn Euro dazu, und das war's. Und in meinem Sorge-dich-nicht-Buch steht schließlich auch, dass man sich keine Sorgen über Sachen machen soll, die noch nicht passiert sind, weil die meisten Dinge, über die man sich Sorgen macht, sowieso nicht passieren. Und wenn wider Erwarten doch mal was Schreckliches passiert, dann kann man immer noch anfangen, sich Sorgen zu machen.
    Lala springt auf mich zu. Sie strahlt über beide Ohren. Jetzt zum Beispiel wäre so ein Augenblick, sich Sorgen zu machen.
    »Simon! Simon! Hab ich Karte für Konzert, schau!« Lala hüpft wie ein Gummiball vor Freude, wobei sie mir stolz ihre Eintrittskarte präsentiert.
    »Simon! Geh ich auf Hip-Hop-Konzert! Was sagst du?«
    »Super!«, sage ich und versuche, wenigstens kurz so auszusehen, als würde ich mich auch freuen. Ich freue mich ja auch tatsächlich. Für sie. Nicht für mich.
    »Gehen wir rein?«, fragt mich Lala.
    »Ich ... warte noch auf jemanden!«
    »Oh!«, sagt Lala und wirkt nachdenklich für den Bruchteil einer Sekunde. Dann aber strahlen die Augen wieder, und sie klopft mir auf die Schulter.
    »Dann ... hol ich uns jetzt mal Bier!«
    Ich will ihr noch sagen, dass ich kein Bier trinken will, aber da ist sie schon weg, verschwunden in Richtung eines großen Bierwagens.
    Ich erkenne Marcia nicht sofort. Zunächst sehe ich nur zwei kniehohe Lederstiefel, die sich langsam der Konzerthalle nähern, dann einen fahrlässig kurzen Rock. Schließlich bin ich mir aber doch recht sicher, dass es Marcias Lockenkopf ist, der da aus dem dicken, beigen Rollkragenpulli schaut. Und ohne ihre alberne Starbucks-Uniform sieht sie noch anbetungswürdiger aus! Mein Selbstbewusstsein kracht erdrutschartig zusammen. Ich will ihr winken, doch irgendwie kriege ich die Hand nicht richtig hoch. Macht nichts, sie hat mich noch gar nicht gesehen. Sie steht nun keine zwanzig Meter mehr von mir entfernt und schaut sich suchend um. Urplötzlich sind sie wieder da, meine Zweifel, von denen ich dachte, dass ich sie mir allesamt wegge-brüht hätte. Was will ein Kerl wie ich mit so einem Traumbabe? So ein Babe, und da braucht sie keinen Meter mehr näher zu kommen, könnte George Clooney auf seiner Yacht den Rücken massieren und dabei in die Linse des Paparazzo lächeln. Alle würden sagen: Na also, das ist 'ne Frau für den Clooney!
    »Hey ...!!!«
    George Clooneys Freundin hat mich erkannt. Wie in Trance gehe ich auf sie zu. Ich gebe mir große Mühe, souverän zu lächeln, doch leider verziehen bisher unbekannte Muskelgruppen mein Gesicht in Richtungen, wie man sie von dieser Spaß-Software für Fotos kennt. Der Weg zu Marcia dauert eine halbe Ewigkeit. Jeder Meter, den ich ihr näher komme, lässt sie noch perfekter, weiblicher und sinnlicher erscheinen. Was ist, wenn ich gar nicht bei ihr ankomme? Was ist, wenn es mich überhaupt gar nicht mehr gibt? Was ist, wenn ich nur eine animierte Videospielfigur der Flirt-Matrix bin, auf dem Weg zum zweiten Level? Ich räume ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg. Vorsicht, Typ mit Bierbecher, linksherum, Bing! 100 Punkte. Achtung, Bordstein, zu spät! Joystick hooooch! Dong! Ich stolpere und grinse saudoof dazu, als würde dieses Grinsen den Stolperer ungeschehen machen. Kawuff! Oh! Nur noch ein Leben. Ding-ding-ding ... Ich bekomme die Warnung, meinen Charismaspeicher aufzutanken. Die hallenden Stimmen, die ich höre, sprechen durcheinander: Charisma bei 10 Prozent!

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