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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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erklingen, sage ich Lala, dass ich auf Toilette muss. Mit steigender Ruppigkeit remple ich mich durch die Menge nach hinten. Ich muss daran denken, wie ich das Lied vor Marcias Fenster gehört habe und wie glücklich ich in dieser Nacht war. Ich schlucke und kämpfe gegen das Feuchte in meinen Augen.
    Dann entdecke ich Marcia. Sie steht an der Sektbar. Neben ihr zwei riesige, muskulöse Typen in knallengen Muscleshirts. Einer von ihnen hat die Hand auf ihrem Hintern. Jetzt verstehe ich gar nix mehr. Ich will weitergehen, doch ich kann nicht. Kann nicht aufhören, in Marcias Richtung zu starren. Dann treffen sich unsere Blicke für eine Sekunde. Eine einzige Sekunde. Dann schaut sie weg. Einfach so.
    Alles klar.
    Was für eine blöde Kuh!
    Mit allem hätte ich gerechnet, aber damit nicht. Wenn sie mich schon im Starbucks hätte abblitzen lassen: Kein Problem. Wenn sie meine Konzertkarte in den Milchschaum getunkt hätte: auch egal. Aber die Nummer? Für wie bekloppt hält mich diese arrogante Dummtusse eigentlich? Ich könnte kotzen um jede einzelne Träne, die ich wegen ihr vergeudet habe, und jedes Bier, das ich nicht getrunken habe wegen irgendwelcher beschissenen Bauchmuskeln, die sie sowieso einen Scheiß interessieren. Wütend stampfe ich in ihre Richtung. Mann, bin ich geladen! Ein einziger ungeschickter Rempler von einem bräsigen Fanta-Vier-Fan, und ich haue ihm so auf die Zwölf, dass er nicht mal mehr weiß, welches Autokennzeichen Stuttgart hat. Unter Hochspannung bestelle ich drei Bier, zwei für mich und eins für Lala. Ich zahle und wühle mich ein paar Schritte zur Seite, sodass ich direkt neben Marcia und den beiden hirnlosen Himbeertonis stehe. Dann drehe ich mich zu ihr.
    »Viel Spaß noch!«, schreie ich Marcia an.
    »Dir auch! Und grüß deine Putze!«, brüllt sie zurück. Die Himbeertonis lachen sich tot.
    Es ist ein Reflex, gegen den man gar nicht viel machen kann. Und so landet der Inhalt meiner Bierbecher – und wir reden hier insgesamt von über einem ganzen Liter Kölsch – in Marcias Playmate-Januar-bis-Dezember-Gesicht. Sie ist so entsetzt, dass sie kein Wort herausbringt. Ihre beiden Primaten schon. Ich will wegrennen, aber es ist zu spät.
    »Das war ein Reflex!«, rufe ich noch, da habe ich auch schon eine Faust im Magen, dann noch eine, und dann verteilen sich die Schläge auf diverse Körperteile, von denen ich schon bald nicht mehr so genau sagen kann, wo sie so genau liegen. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Ich habe keine Chance. Jeder der beiden ist größer und stärker als ich. Das Ganze mag eine knappe Minute gehen oder zwei, ich weiß es nicht. Irgendwann werfen sich zwei Security-Leute dazwischen, die noch größer sind als meine Widersacher. Die Himbeertonis fliegen raus, so viel bekomme ich noch mit. Dann humple ich schwer atmend zurück zum Bierstand. Ein junges Mädchen mit Brille und Zahnspange starrt mich entsetzt an, sagt was in die Richtung »Ach du lieber Himmel« und zerrt einen Ordner zu mir. Der Ordner nimmt mir das Bier wieder ab, das ich gerade bestellt habe, und fragt, wie ich mich fühle. Ich sage, dass alles ganz wunderbar sei und dass ich jetzt aber wieder vor zur Bühne müsse zu meiner Putzfrau, und mit der Liebe, da hätte ich mich getäuscht, Oliver Geissen wäre so was nicht passiert in seiner Talk-show, und das mit dem »schwarzen Herz«, das wär schon so, und ob ich mein Bier zurückhaben könne, ich hätte nämlich ziemlichen Durst. Dann werde ich weggebracht.
    IM SPARE DER HORIZONTALEN VERKEILUNGEN
    Das Konzert ist längst zu Ende, als mich der Psychologe Dr. Wegener schulterklopfend aus dem Rotkreuzraum entlässt. »Und machen Sie einfach mal Urlaub!«, rät er mir noch.
    »Mach ich!«, verspreche ich ihm und schleiche durch das spärlich beleuchtete Foyer in Richtung Ausgang. »Und grüßen Sie Lala von mir!«, höre ich ihn rufen, doch ich hebe nur noch die Hand als Zeichen, dass ich ihn verstanden habe. Ganz schön schwer, so eine Hand.
    Ich taste nach meinem Handy und wähle die Nummer von Paula. Verbindung mit Paula wird hergestellt steht auf meinem Display. Ich lege wieder auf. Was soll ich ihr groß sagen? Es ist nicht ihre Schuld, dass alles in die Hose gegangen ist. Im Grunde genommen hat sie's gewusst. Sie hat es schon an unserem Saunatag gewusst. Sie wollte mich nur nicht verletzen. Das haben Marcias bekloppte Himbeertonis erledigt. Stattdessen rufe ich Flik an. Er ist sogar zu Hause, und wir

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