Vollidiot
verabreden uns für das de-lite, eine Cocktailbar mit DJ. Flik freut sich, als ich anrufe. Wenigstens einer. Ich drücke die große, schwere Eisentür zur Straße auf und knalle gegen eine Wand aus eiskalter Luft. Mein Arm tut weh. Und mein Kiefer auch. Nach einer halben Stunde bekomme ich endlich ein Taxi. Der Fahrer begrüßt mich mit »Ach du lieber Himmel!«.
Flik hat zwar keine auf die Fresse bekommen, aber er sieht genauso fertig aus wie ich. Wir umarmen uns und betreten das übervolle de-lite. Das zu erwartende »Wie siehst du denn aus?« kommentiere ich mit »Später!«. Ich bahne mir den Weg zur Bar und bestelle zwei Beck's. Flik bleibt ein wenig ratlos an einer Säule stehen. Mir fällt auf, dass die Gäste fast ausnahmslos jünger sind als wir. Auch Flik wirkt reichlich desorientiert und neben der Spur. Nichts ist mehr zu sehen von seinen kleinen Verwandlungen ins Positive, die mich in den vergangenen Tagen so überrascht haben. Flik trägt wieder seine alte, viel zu kurze Stoffhose und ein Karohemd aus schlankeren Zeiten, das sich nun spack über sein Bäuchlein legt. Trotz der Kälte hat er an diesem Abend nicht mal die Mode-Todsünde Collegeslipper ausgelassen. Zwei gelangweilte Studentinnen räumen ihre Hocker an der Bar, die wir uns unter den Nagel reißen. Als wir uns setzen, entdecke ich den Grund ihrer Langeweile: zwei kleine Fläschchen Bionade. Schlimm so was. Mit der Jugend geht es wirklich steil bergab. Ich proste Flik zu und ziehe mit einem Schluck die Hälfte meines Beck's-Glaszwerges weg. Flik nippt lediglich daran. »Zu kalt für meinen Magen«, entschuldigt er sich. Ich will gerade ansetzen, Flik meine Konzert-Katastrophe in den buntesten Farben zu schildern, da platzt es aus ihm heraus.
»Daniela hat Schluss gemacht!«
Wortlos starre ich Flik an. Das nenne ich mal eine Ge-sprächseröffnung!
»Scheiße!«, ist das Einzige, was mir auf die Schnelle einfällt. Achselzuckend greife ich nach meinem Bier, und wir stoßen ein weiteres Mal an. Kling! Der arme Kerl! Soll ich's ihm sagen, dass ich mit Daniela aus war? Vielleicht hat sie ihm ja schon was erzählt, und er ahnt irgendwas. Die nächste Frage, die nach Aussagen wie »XY hat Schluss gemacht« normalerweise ansteht, lautet: »Und warum?«
Ich hab eine Heidenangst, sie zu stellen. Flik sieht müde aus. Offenbar nimmt es ihn richtig mit. Kein Wunder. Daniela war seine erste Affäre seit Jahren. Und ich Arschloch muss mich dazwischendrängen. Ich stürze das Bier herunter und bestelle einen Wodka Tonic.
Dann wage ich es.
»Und warum?«
Flik hat auf die Frage gewartet, die Antwort kommt schnell.
»Sie ist halt nicht verliebt. Sie mag mich total gern, aber es hat nicht gefunkt«, gesteht er mit schwacher Stimme.
»Toll, die gute alte Kumpelnummer!«, stöhne ich.
Flik gönnt sich ein weiteres Spatzenschlückchen Beck's. Ich bekomme meinen Wodka Tonic, werfe den Strohhalm in die Spüle vor uns und klopfe Flik tröstend auf die Schulter.
»Kann man nix machen! Bei der Nächsten wird's besser!«
»Ach ja ...«, seufzt er. »Ich kann sie ja verstehen. Wenn ich 'ne Frau wäre, die so aussieht wie Daniela, würde ich auch nicht mit so 'nem Typen wie mir gehen! Mit einem wie dir vielleicht ... aber ...«
Au Mann. Die arme Wurst. Was der Gute da eben in seine halb leere Flasche gejammert hat, bedeutet eigentlich zehn Sitzungen Verhaltenstherapie. Wenn ich ihm jetzt noch sage, dass ich gestern mit Daniela unterwegs war, legt die Krankenkasse vielleicht noch zehn Sitzungen drauf.
Einen Teufel werde ich tun. Was mein Freund jetzt braucht, ist Trost und Ablenkung! Ermutigende Worte von jemandem, der ihn versteht und aufbaut. Von mir.
»Jetzt mach aber mal 'n Punkt! Soooooo scheiße siehst du nun auch wieder nicht aus!«
Vielleicht hätte ich es noch ein klein wenig positiver formulieren können.
»Danke!«
»Ja, mein Gott. Kauf dir halt mal ein paar vernünftige Klamotten und nimm zehn Kilo ab. Das isses doch schon. Du siehst echt nicht scheiße aus, Flik! «
Ich denke, das war schon besser.
»Und das ist dann alles?«, krächzt Flik und haut seine Bierflasche auf den Tresen. Fast sieht es so aus, als wäre sie wieder einen Tacken voller geworden.
»Nein! Du müsstest AUCH zum Friseur, und 'ne neue Brille brauchst du auch! Das meint auch die Paula! DAS ist alles!«
So. Jetzt weiß er's. Vielleicht bringt ihm die Info ja was fürs weitere Leben. Im Augenblick jedenfalls starrt er einfach nur in das sich prächtig amüsierende
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