Vollidiot
Hypnose. Dann sagt der dicke Mann irgendwas mit Staatsanwaltschaft und Anklage erheben und dass ich vorgeladen würde und mit einer Geldstrafe zu rechnen hätte. Ich frage, ob ich jetzt ins Gefängnis komme, und er sagt, dass das unwahrscheinlich wäre. Ich sage »Das ist schön«, und ein paar Fragen später darf ich gehen, und ich sage »Auf Wiedersehen«.
Ich brauche eine knappe Stunde zurück zum T-Punkt-Laden, weil ich zu Fuß gehe. Eine knappe Stunde, nur um zu erfahren, dass ich nicht mehr im T-Punkt arbeiten werde.
»Es tut mir Leid«, seufzt die Eule, und ich habe den Eindruck, dass die Geschichte sie schlimmer trifft als mich.
»Das war nicht meine Entscheidung, Simon. Ich kann da im Moment echt nichts für dich machen.«
»Ich weiß«, sage ich, und »es tut mir auch Leid«.
»Du musst dich um dich kümmern«, beschwört mich die Eule.
»Mach mal Urlaub, entspann dich, denk nach.«
»Ich komm doch gerade aus dem Urlaub!«, sage ich.
»Dann fahr zu deiner Schwester ins Krankenhaus, die braucht dich jetzt!«
»Stimmt!«, sage ich. »Da könnte ich wohl mal hinfahren ...«
»Ach Simon«, seufzt die Eule, »wir bleiben in Kontakt, ja?«
Natürlich.
Ich stehe auf und sage »Na, dann ...«
Die Eule erhebt sich auch. Sie lächelt mich sogar an. Leicht fällt es ihr nicht.
Dann sagt sie auch »Na, dann ...«.
Ich frage mich, ob ich sie zurück in den Stuhl schubsen oder umarmen soll. Ich tue keines von beiden. Ich gehe nur.
Leise, wie ein Einbrecher, schleiche ich mich die Treppen zum Hinterausgang hinunter. Nicht, dass ich auch noch Flik in die Arme laufe. Ich will nur nach Hause.
Ich drücke auf Simon Peters, als ich vor den Klingeln meines Apartmentblocks stehe. Ich klingle zwei Mal, drei Mal, doch es ist keiner da. Enttäuscht gehe ich weiter und überlege, was ich solange machen soll, bis ich zurück bin.
Nach ein paar Metern bleibe ich stehen und halte die Luft an. ICH bin Simon Peters. Vielleicht sollte ich ja tatsächlich sofort wieder in den Urlaub. Nachdenklich gehe ich zurück, schließe die Eingangstüre auf und fahre hoch in den vierten Stock. Ich stehe im wahrsten Sinne des Wortes neben mir, kann mich selbst sehen, wie ich meinen Schlüssel ins Schloss stecke, die Tür öffne und eintrete. Hallo? Bin ich das? Ich zwicke mich wieder, und wieder tut es weh. Also bin ich ich. Aber war ich es auch, der mich gezwickt hat? Alles, was ich tue, kommt mir seltsam gedämpft vor, fast so, als hätte mich jemand in einen großen Fernsehkarton mit viel Blubberfolie gepackt. Ganz vorsichtig lasse ich meine Tasche zu Boden gleiten. Ich müsste meine Händewaschen und dringend auf die Toilette. Aber ich habe keine Kraft dazu. Stattdessen setze ich mich langsam auf meinen Jennylund-Sessel. Neben mir liegt Sorge dich nicht, lebe. Ich greife nach dem Buch und schlage es an irgendeiner Stelle auf.
Wenn Sie eine Zitrone haben, machen Sie Zitronenlimonade daraus.
Mensch! Wenn ich das zwei Tage früher gewusst hätte, dann wäre das alles nicht passiert! Ich schmeiße das Zitronenbuch in Richtung Plasmafernseher und zünde mir eine Kippe an.
DIE GLÜHWÜRMCHENSEILBAHN
Das ist La Dolce Vita für zu Hause! steht auf der Verpackungsrückseite meiner Prosciutto-Rucola-Pesto-Pizza. Ich lese weiter. Genießen Sie die sorgfältige Auswahl bester Zutaten auf einem Boden, dem das einzigartige Aromabackverfahren spezielle Frische und Knusprigkeit verleiht.
Fast habe ich ein schlechtes Gewissen wegen der Pizza. Darf ich so etwas sensationell Einzigartiges überhaupt kaufen, geschweige denn aufessen? Ganz alleine? Hat der Hersteller nicht das Recht, seine Kunden ein wenig auszusieben, wenn er sich schon so eine unglaubliche Mühe macht mit der Auswahl der Zutaten und diesem einzigartigen Aromabackverfahren? Womöglich hat er wochenlang nicht geschlafen, weil sein neues Aromabackverfahren dem Boden noch keine spezielle Frische und Knusprigkeit verliehen hat. Und dann komme ich! Nichts ahnend und unwürdig schlurfe ich in den Supermarkt, packe gleich den gesamten Vorrat dieser kulinarischen Revolution in meinen Einkaufswagen und schaffe ihn klammheimlich in meine Wohnung, um ihn ganz alleine in mich hineinzustopfen.
»Es tut mir Leid!«, sage ich laut.
Dann packe ich die restlichen sechs Prosciutto-Rucola-Pesto-Pizzas in den Gefrierschrank und stelle die zweite Einkaufstüte auf meine Küchenablage. Sieben Mal Schlemmerfilet Blattspinat. Vorsichtig schließe ich die Tür. Dann falte ich die beiden Einkaufstüten
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