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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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Augen sahen mich sehr amüsiert an. Ich wäre wirklich am liebsten gleich wieder weggelaufen, aber die Nummer konnte ich ja nicht jedes Mal bringen. Taktikänderung, aber sofort: »Ach, hallo. Nein, ich laufe nicht weg, und es tut mir leid, dass ich bei unserer letzten Begegnung so unhöflich war. Aber mir fiel damals gerade ein, dass es bei H&M einen Sonderschlussverkauf gab, und da musste ich mich wirklich beeilen.«
    Die blauen Augen schienen sich lustig über mich zu machen, aber ansonsten tat Nick so, als wäre meine Erklärung völlig normal.
    Wir gingen in sein Büro, und er erklärte mir, was er suchte: »Ich brauche eine Assistentin, die sich nicht nur um Post, Telefon und so was kümmert. Sie müssten Darsteller buchen, sich um die Abrechnungen und um die Locations kümmern. Dass wir heute hier drehen, soll eigentlich nicht passieren. Aber Suzy, meine bisherige Assistentin, hat Hals über Kopf gekündigt, und ich hatte keine Zeit, selbst einen Drehort zu suchen. Also, was sagen Sie?«
    Tja, was sagte ich? Eigentlich war es ein Traumjob, Castings durchführen, passende Drehorte finden und all so was. Der Haken war nur, dass es nicht um Fernsehkomödien ging, sondern um Pornos. Aber es war ein Job, und als Nick mir die Bezahlung mitteilte, waren alle Skrupel plötzlich weg. »Ich würde es gern versuchen«, sagte ich zu ihm, »aber ich will nicht, dass mir jemand meine Schuhe ableckt.«
    Nick lachte laut los: »Sie sind ja eine Nummer. Wenn ich Ihnen verspreche, dass Ihnen hier niemand irgendwelche unseriösen Angebote macht, könnten Sie dann nächste Woche anfangen?«
    Und ob ich das konnte. Ich hüpfte fast zur Bushaltestelle. Mit dem Gehalt konnte ich mir nicht nur eine eigene Wohnung leisten, es waren auch noch Schuhe und die neuesten Pflegeprodukte drin. Und ich würde Nick jeden Tag sehen. Ist das Leben nicht schön?, dachte ich mir, bis mir meine Mutter einfiel. Sie würde meinem neuen Job vielleicht nicht ganz so vorurteilsfrei gegenüberstehen, aber da würde mir schon was einfallen.
    Dazu hatte ich gleich beim Abendessen Gelegenheit. Das schmeckte mir heute nicht so richtig, weil mein Vater lang und breit über ein verstopftes Klo und über Leute, die nicht wissen, was in eine Toilette gehörte und was nicht, referierte. Irgendwann erinnerte er sich doch wieder an mich und fragte resigniert, wie es um meine berufliche Zukunft stünde. Bevor ich meine zensierten Neuigkeiten an den Mann bringen konnte, fiel mir meine Mutter schon ins Wort: »O Herbert, sie ist ja so bemüht. Sie hatte ein Vorstellungsgespräch in einer Versicherungsagentur, aber die wollten sie nur halbtags, und weil sie uns nicht auf der Tasche liegen möchte, sucht sie lieber weiter.«
    Ah ja. Mein Vater sollte also nicht erfahren, dass seine Tochter Schmutz anzieht wie andere Leute Schuhe.
    Â»Genau, so war es«, sagte ich. »Und ich hatte recht damit, nicht das erstbeste Angebot anzunehmen, denn ich habe heute einen Ganztagsjob gefunden. Ich arbeite in einer Firma, die Dokumentarfilme dreht.«
    Â»Oh, wie aufregend!«, freute sich meine Mutter. »Welche Firma ist denn das?«
    Â»Die heißt Big … äh, Big … Doku .«
    Â»Wie schön für dich«, strahlte meine Mutter, während Papa eher skeptisch dreinsah. »Was musst du denn da machen?«
    Â»Oh, also, ich suche Darsteller aus und Drehorte, und Bürokram ist auch noch dabei.«
    Meine Mutter war ganz aus dem Häuschen: »Du machst so richtige Castings wie bei Deutschland sucht den Superstar ? Da komme ich auf alle Fälle mal mit, ich habe eine gute Menschenkenntnis, da kann ich dir sicher ein paar gute Tipps geben.«
    Na ja, eher nicht, aber das musste ich ihr ja nicht unter die Nase reiben. »Wie nett von dir, Mama, aber erstmal muss ich mich da einarbeiten, später kannst du mir bestimmt helfen.«
    Damit war sie vorerst zufrieden, aber da ich sie kannte, musste ich sie noch ein wenig kurzhalten, sonst würde sie gleich loslaufen und jedem von meiner neuen Karriere als Dokumentarfilmerin berichten: »Mama, behalte das bitte noch für dich, ja? Wir drehen ja keine Filme, sondern Dokumentationen, die auch Missstände aufdecken, und da muss ich ein bisschen undercover bleiben.«
    Das musste sie wohl oder übel akzeptieren, und ich atmete tief durch. Die erste Hürde war genommen.
    Am Sonntag fuhr ich zu Britt und

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