Vollmeisen
Hubert. Aus der Küche kam irgendein undefinierbarer Geruch, das lieà nichts Gutes erahnen. Seit sich das Fernsehen auf allen Kanälen auf Kochsendungen eingeschossen hatte, bekam man bei kaum einer Einladung noch irgendwas Vernünftiges zu essen. Es wurde »Gänseleber-Röllchen mit Zitronengras-Crostini« oder »Mosaik von gebeiztem Wildlachs auf Wolfsbarsch-Tatar« serviert, und meistens schmeckte es noch schlimmer, als es aussah. Nachdem ich Hubert begrüÃt und neidvoll seine Mallorca-Bräune zur Kenntnis genommen hatte, traute ich mich zu Britt in die Küche, die an etwas Undefinierbarem herumhantierte: »Hallo, ich bin gleich fertig, ich habe uns nur schnell eine leichte Creme vom Bresse-Kaninchen gezaubert.«
Ich beschloss, mich jeden Kommentars zu enthalten, offensichtlich hatte auch Britt das Kochen für sich entdeckt, ging vor in den Wintergarten und setzte mich an den riesigen Glastisch. Vielleicht war Geld ja wirklich nicht alles, aber doch schon eine Menge, wenn man dadurch so cool wohnen konnte.
Kurz darauf kam Britt mit dem armen Kaninchen nach, und Hubert folgte ihr auf dem FuÃ. Die leichte Creme entpuppte sich leider als zäher Brei, der eher nach Fisch als nach Kaninchen schmeckte. Doch Britt war so stolz auf ihr neu entdecktes Talent, dass Hubert und ich versuchten, unsere Gesichtszüge nicht zu sehr entgleisen zu lassen und tapfer aufzuessen.
»Sag mal, Hubert«, setzte ich an, »kannst du mir sagen, was bei Simon los ist? Ich kann ihn nicht erreichen, und in seiner Firma läuft die Polizei rum, die ihn übrigens auch sucht. Was ist da faul?«
Hubert schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Das sind Mandanten-Geheimnisse, dieses Gespräch ist beendet.« Und schon verlieà er den Wintergarten.
Kann sein, dass er nur eine Ausrede suchte, um von der Kaninchen-Creme wegzukommen, aber so unfreundlich hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Was ist denn mit dem los?«, fragte ich Britt. »Ich will doch gar keine Steuergeheimnisse wissen, sondern nur, was passiert ist.«
»Hör bloà auf, der dreht nur noch am Rad, die ganze Woche Mallorca hat er mir versaut. Nicht mal mir erzählt er ein Wort, mir, seiner eigenen Ehefrau! Ist das zu fassen, glaubt der, ich posaune seine Geschäftsgeheimnisse aus? Ich hätte dir ja gern alles erzählt, aber wie gesagt, ich weià noch weniger als du. Alles, was ich mitgekriegt habe, ist, dass die Polizei irgendeinen Beschluss hat, mit dem sie morgen in Huberts Kanzlei auftauchen und da Simons Akten durchforsten wird.«
»Verdammt. Der hat bestimmt Steuern hinterzogen, oder? Und vielleicht hat er gar keine Neue, sondern ist nach Liechtenstein geflüchtet und wollte mich da nicht mit reinziehen, was meinst du?«
»Kann schon sein«, sagte Britt zögerlich.
»Ich bin ganz sicher, dass es so ist. Und ich hab ihn für einen ScheiÃkerl gehalten, dabei ist er so romantisch und ehrenhaft und will mich nicht mit in den Sumpf ziehen. Wie süà ist das denn? Ein Mann, ganz allein auf der Flucht, von der Polizei gejagt und einem gebrochenen Herz geplagt.«
»Ehrlich, ich glaube, jetzt spinnst du. Hör lieber auf zu fantasieren und warte erstmal ab. Ich versuche auf alle Fälle herauszukriegen, was da passiert ist, und halte dich auf dem Laufenden.«
Genauso schlau wie vorher machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause. Dort erwartete mich gleich die nächste Ãberraschung: Meine Schwester Melinda war wieder da. Melinda war fünfundzwanzig und wartete auf ihren Durchbruch. Sie hatte sich noch nicht ganz entschieden, wohin ihre Reise gehen sollte, aber in der engeren Auswahl waren FuÃballergattin, Fernsehmoderatorin oder Schauspielerin. Zugegeben, sie sah süà aus, und die Männer waren ziemlich verrückt nach ihr, aber sie war echt abgedreht. Die letzten drei Wochen hatte sie mit einem zweitklassigen Soap-Darsteller auf Rhodos verbracht. Meine Eltern trieb sie mit ihren verrückten und ständig neuen Ideen manchmal regelrecht in den Wahnsinn, und inzwischen wäre es ihnen wohl sogar recht, wenn sie mit einem Wrestler oder einem adoptierten Prinz von Anhalt durchbrennen würde, Hauptsache, es wäre endlich Ruhe und sie aus dem Haus. Aber auf diesen Feiertag würden sie wohl noch etwas länger warten müssen.
»Himmel, dieser Typ war ja so was von jämmerlich, bin ich froh, dass ich wieder hier bin! Dagobert Duck ist
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