Vom Alptraum verfolgt
Liebe !« sagte Landau schroff und mit einem stählernen Unterton in
der Stimme. »Der Lieutenant hat völlig recht mit seiner Einstellung, und du
verbesserst die Situation nicht, indem du ihn mit meinen beruflichen Leistungen
zu beeindrucken suchst. Im Augenblick scheine ich nicht nur ein halb
ausgegorener Idiot zu sein, ich fühle mich auch als solcher .«
Er wandte sich mir mit
freundlichem Lächeln zu, während in seinen dunklen Augen ein kläglicher, um
Entschuldigung bittender Ausdruck lag. Ich ertappte mich plötzlich dabei, daß
ich zurücklächelte, und es wurde mir bewußt, über was für einen überwältigenden
Charme er verfügte, wenn er es darauf anlegte.
»Wir sind eine einigermaßen
exzentrische Familie, Lieutenant«, sagte er mit weicher Stimme, »und haben eine
große Schwäche für Streiche. Meine Tochter pflegt sehr tief zu schlafen, und
ich habe mich oft darüber lustig gemacht. Gestern abend behauptete sie, das leiseste Geräusch in ihrem
Zimmer würde sie aufwecken. Ich erklärte ihr, sie schliefe wie eine Tote und
könne das auch beweisen, worauf sie mich aufforderte, das zu tun .«
»Daddy«, das Mädchen starrte
ihn einen Augenblick lang verdutzt an, »bist du sicher, daß du... ?«
»Bitte, Vicki!« Er hob die
Hand. »Jetzt rede ich! Ich überlegte mir das Ganze, Lieutenant, und fand Vickis
Herausforderung unwiderstehlich. Nachdem sie zu Bett gegangen war, wartete ich
ungefähr eine Stunde, bis ich ganz sicher war, daß sie tief schlief, und trug
dann mit Hilfe einer meiner Assistentinnen, Kaye Allen, Vicki die Treppe hinab
und in meinen Wagen. Dies hier war das erste private Bestattungsinstitut, zu
dem wir kamen, und der Sarg in diesem Raum hier schien uns ideal .« Er zuckte die Schultern. »Also legten wir Vicki hinein,
sorgten dafür, daß der Deckel am einen Ende offenblieb und sie genügend Luft
hatte, und fuhren wieder weg. Ich kam, wie Sie ja wissen, um acht Uhr zurück,
in der Absicht, Vicki aufzuwecken, so daß sie sich selber von der Richtigkeit
meiner Behauptung überzeugen konnte. Zu meinem Pech hatte sich mein Freund hier
—«, er tätschelte aufmunternd Brenners Rücken, »entschlossen, sich früh an die
Arbeit zu machen, und auf diese Weise kamen die ganzen Schwierigkeiten zustande .«
Ich blickte das Mädchen an.
»Nun wollen wir Ihre Version hören, Miss Landau .«
»Ich erinnere mich an gar
nichts, Lieutenant, von dem Zeitpunkt an, als ich gestern
abend zu Bett ging, bis heute morgen , als ich
in diesem — diesem Ding hier aufgewacht bin .« Sie wies
mit dem Kopf zu dem Sarg hinüber. »Ich hörte Stimmen und dachte, jemand sei in
mein Schlafzimmer gekommen, und so setzte ich mich auf, um nachzusehen. Und
alles übrige wissen Sie ja vermutlich .« Sie runzelte
flüchtig die Stirn, während die Finger ihrer rechten Hand an dem seidenen
Leichenhemd zupften. »Daddy — das habe ich doch gestern
abend nicht angehabt, als ich ins Bett ging ?«
»Das war einer von Kayes
genialen Einfällen«, sagte er und lachte kurz auf. »Sie hat es dir angezogen,
während ich den Wagen herausholte .«
»Der Gedanke, daß Ihre Tochter
aufwachen könnte, bevor Sie wieder herkamen, ist Ihnen wohl gar nicht gekommen,
Doktor Landau ?« knurrte ich. »Die Vorstellung, daß sie
vielleicht mitten in der Nacht aufwachen und sich in einem Sarg in einer
Leichenhalle wiederfinden würde, hat Sie wohl überhaupt nicht bekümmert? Sie
dachten, Ihre Tochter hätte Nerven wie Drahtseile, was ?«
Wieder lachte er und brachte es
irgendwie fertig, auf seinem alten gefurchten Gesicht den knabenhaften Ausdruck
des Ertappt-worden-Seins erscheinen zu lassen.
»Ich sehe schon, es bleibt mir
keine andere Wahl, als zu gestehen, Lieutenant !« Er
zuckte ausdrucksvoll mit den Schultern. »Und damit ist auch der zweite Teil
meines Streichs mißlungen ! Es bestand keine Gefahr,
daß Vicki während der Nacht aufwachen würde, Lieutenant, weil ich eine
entsprechende Dosis eines Schlafmittels in ihr, mit Milch und Cognac gefülltes
Glas schüttete, das sie seltsamerweise immer vor dem Zubettgehen trinkt. Ich
muß gestehen, daß ich da ein bißchen geschwindelt habe .«
»Typisch mein Vater !« sagte Vicki, und ihre leuchtenden Augen straften den
hochnäsigen Ton ihrer Stimme Lügen. »Wenn es sich um einen Streich handelt, hat
er soviel Skrupel wie ein Zuhälter .«
»Das wird mir eine Warnung
sein, je zu ihm zu gehen, wenn ich krank werde«, brummte ich.
»Ja«, sagte Polnik heiser. »Ich gehe jede Wette
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