Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)
abwartend und
distanziert in seinem Blick
, bemerkte Carl.
Wie ist es wohl, ihn in ausgelassener Heiterkeit zu erleben? Wahrscheinlich würde er das als Blöße empfinden, als Übertreibung.
Taylor grüßte ihn und zeigte auf den Astronomen Rafael Peacock, der neben ihnen stand.
Bitte nicht
, flehte Carl innerlich.
Jetzt wird es wieder um den Nautischen Almanach gehen, die Bestimmung des Standortes unseres Schiffes auf See. So wie gestern Abend beim Essen und vorgestern und den Abend zuvor.
»Sir, wir haben Euch gesucht. Wir hätten da eine Bitte.«
Carl fiel auf, dass Peacock an seinem Mantel herumzupfte. Irgendetwas suchte dieser Mann immer. Messgeräte, Bücher, Taschentücher. Mehrfach hatte er das Bedürfnis verspürt, ihn an die Hand zu nehmen, um ihm die Welt zu erklären. Sicher, er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, aber wenn Peacock eine Bitte äußern wollte, dabei an seinem Mantel herumzupfte und den Kapitän zur Begleitung auffuhr, konnte das nichts Gutes bedeuten.
»Wie ich ja bereits erläuterte, müssen wir die Distanzen vom Zentrum des Mondes bis zur Sonne und zu neun ausgewählten hellen Sternen bestimmen. Diese Positionen sind im Almanach im Abstand von drei Stunden angegeben, samt Anweisungen, wie man die Brechung durch die Erdatmosphäre und die Parallaxe in die Berechnung mit einbezieht.«
Komm auf den Punkt.
Carl schaute Taylor an, der, die Hände auf dem Rücken verschränkt, regungslos neben Peacock verharrte.
»Wir benötigen für die Vermessung vier Beobachter, und einer der Männer ist ausgefallen. Er ist erkrankt.«
»Ja, ich hörte davon. Genauer gesagt, war es ein bisschen viel Rum, und er ist in der Nacht gestürzt«, sagte Carl und bemühte sich um einen scherzenden Ton.
Peacock machte ein Gesicht, als hätte man ihn dabei ertappt, den Rum selbst getrunken zu haben.
»Also gut, was kann ich für Euch tun?«
»Ich, also wir wollten uns erkundigen, ob es möglich wäre, dass wir Euren Zeichner, Mr. Middleton, kurzfristig zur Arbeit heranziehen?«
Carl zog die Augenbrauen in die Höhe und hob den Kopf. Jetzt überragte er Peacock um eine Fußlänge. Hastig fuhr dessen Hand in die Manteltasche und zappelte in ihr herum.
»Oh, Mr. Peacock, ich würde Euch gern aushelfen, aber Mr. Middleton ist ein mir bisher unbekannter Zeichner, den wir erst im letzten Moment für die Reise gewinnen konnten. Wir müssen ihn jetzt einarbeiten und können ihn keineswegs entbehren.«
Peacock nickte heftig. »Ja, Sir, vielen Dank, Sir. Trotzdem. Das hatte ich befürchtet, aber …«
Kapitän Taylor hob die Hand, legte sie dem Astronomen auf die Schulter und schob ihn weiter. »Mr. Peacock, wir werden eine Lösung finden. Seid gewiss.«
Carl sah den beiden hinterher. Erst steckte der Bootsmann seinen Gehilfen in das Mannschaftsdeck. Den hatte er ordentlich zurechtgestutzt, aber nun kam auch Peacock an und wollte den Kerl abziehen. Was hatten die alle mit diesem Marc Middleton?
***
Mary setzte den Pinsel auf das Papier und trug die gelbe Gouache in der Skizze des Blütenkopfes flächig auf. Sie lehnte sich zurück und verglich die Proportionen der Zeichnung mit der vor ihr liegenden Pflanze. Das Ergebnis war stimmig. Diese Arbeit konnte sie Carl präsentieren. Sie stellte den Pinsel ins Wasser, beugte sich über das Veilchen und bog die Blütenblätter auseinander. Es zu pressen würde mit der hölzernen Presse einfach werden. Hier waren keine Schwierigkeiten vorauszusehen, die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schimmel bilden würde, war gering.
Die Tür wurde geöffnet, und Seth schob sich, vor seinen Beinen einen Eimer balancierend, in die Messe. Seine Augen weiteten sich, als das Schiff ruckartig ins Krängen kam.
Mary griff nach der Tischkante und sah aus dem Fenster. Sie hatten an Fahrt gewonnen, und Madeiras Umriss war auf Apfelgröße zusammengeschrumpft. Durch die heftige Bewegung des Schiffes schien die Insel in die Höhe zu schießen. Für einen Moment verschwand sie aus ihrem Blickfeld, und nur tiefes Blau war zu sehen. Wasser klatschte auf den Boden, und Mary hörte den Jungen fluchen. Ein kratzendes Geräusch ließ sie auf den Tisch zurückblicken. Die Farbtiegel rutschten und kamen knapp vor der Kante zum Stehen. Das Schiff hob sich wieder in seine ursprüngliche Position, und die Tiegel schlitterten erneut – dieses Mal in entgegengesetzter Richtung – davon.
Himmel, wenn mir gleich am ersten Arbeitstag die Farben zu Boden gestürzt wären, welch
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