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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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eine.«
    Lange hatte Owahiri gesucht, bis er sich entschieden hatte.
    »Das ist ein Reiter.« Omai hatte ihm den Namen des Tieres genannt, auf dem der Mann saß. Doch an das Wort konnte Owahiri sich längst nicht mehr erinnern. In seinen Augen ähnelte das Tier einem Hund, einem etwas groß geratenen Hund.
    Es war ein unvergesslicher Besuch bei Omai gewesen. Erst am Abend zuvor hatte er Tupaia die Geschichte erzählt. Dass Omai und er miteinander gespielt hatten, bis es wieder einen Krieg gegeben hatte, und dass die Familie seines Freundes nach Huahine hatte fliehen müssen. Sein Sohn folgte seinen Worten kaum. Müde rieb er sich die Augen, bis der Vater das Schiff erwähnte. Das Schiff, mit dem die Fremden mit der weißen Haut nach Tahiti kamen.
    »Ihre Haut ist wirklich weiß wie Kokosnussfleisch?«, warf Tupaia ein. Jetzt war er wach und zappelig.
    »Ja, das ist sie, und viele der Fremden haben helle Augen. Blau wie das Meer oder grau. Grün gibt es auch und hellbraun, das sieht ungewöhnlich aus, sage ich dir.«
    »Und dann, was passierte dann?«
    »Die Fremden nahmen Omai, er war damals ein junger Mann, auf ihre Insel, nach England, mit. Diese Insel ist weit entfernt, bis dorthin ist es eine Reise, die viele Monde währt. Ich hörte, dass er aufgebrochen war, ans andere Ende der Welt, und war mir sicher, er würde nie zurückkommen. Aber sie brachten ihn wieder zurück. Hier auf Tahiti sind wir uns, inzwischen erwachsene Männer, wieder in die Arme gefallen. Und dann habe ich ihn begleitet. Er wollte gern nach Huahine. Dort fühlte er sich inzwischen wohler.«
    »Du bist mit Omai nach Huahine gefahren? Auf dem großen Schiff?«
    Owahiri nickte.
    »Stimmt es, dass ihre Schiffe aussehen, als hätten sie Flügel? Weiße, große Flügel?«
    »Ja, sie haben weißen Stoff an Stämme gehängt, und der Wind bläht diese Stoffe auf. Das sieht ein wenig so aus wie die Flügel eines weißen Vogels. Vieles an ihnen ist anders als bei uns, nicht nur ihre Schiffe sehen anders aus. In Huahine habe ich gesehen, wie die Fremden Omai eine Hütte gebaut haben, aus Holz, mit geschlossenen Wänden.«
    Tupaia riss seine Augen auf. Sein Mund formte ein leises »Ohhhh!«.
    »Die Luft war schlecht darin. Sie kann sich nicht bewegen, und wenn die Sonne auf das Dach fällt, wird es auch noch heiß in dieser Hütte.«
    Die kleine Stirn kräuselte sich. Enttäuschung zeigte sich auf dem Gesicht seines Sohnes. »So etwas Dummes«, sagte er. »Wie kann man denn solche Hütten bauen?«
    »Sie haben viele merkwürdige Gewohnheiten und Gegenstände. Omai hatte etliche dieser seltsamen Gegenstände aus England mitgebracht, die ich dir nicht recht erklären kann. Eine Kaffeemühle. Ein lustiges Wort, oder? Wozu man sie verwendet, habeich nicht verstanden. Und Musikinstrumente hatte er dabei, sie nannten sich Geige und Flöte. Eine Flöte bläst man mit dem Mund.«
    Tupaias Lachen steckte ihn an. Gemeinsam lachten sie über die Vorstellung, eine Flöte mit dem Mund anstatt mit der Nase zu spielen.
    »Er hatte auch Gläser dabei. Sie sind wie unsere Kokosnussschalen, man kann daraus trinken. Sie waren hübsch, man konnte sehen, was man eingoss. Aber sie gingen so schnell kaputt. Und wenn man dann die Reste wegwerfen wollte, konnte man sich die Haut damit blutig schneiden. Und es gab weiße, flache Platten, auf die legen die Fremden das Essen. Auch das war hübsch, aber diese Platten gingen ebenfalls schnell zu Bruch. Omai nutzte bald wieder die guten Bananenblätter.«
    Bis in die tiefe Nacht hinein erzählte er Tupaia alles: Wie er mit Omai die Sprache der Fremden geübt hatte und wie er wieder nach Hause zurückgekehrt war.
    Der Abend hatte alles wieder aufgewühlt.
    Omai hatte er nach seinem Besuch auf Huahine nie wiedergesehen. Nur Erzählungen waren immer wieder bis nach Tahiti vorgedrungen, die einander ähnelten. Nachdem die Mitbringsel verschenkt waren, so sagte man, hatte der Freund die hölzerne Hütte irgendwann verlassen.
    Zum Abschied hatte Owahiri ihn gewarnt, er solle nicht alleine weiterleben, sonst würde der Totengeist ihn sich eines Nachts holen kommen. Es war also durchaus denkbar, dass Omai, vereinsamt in seiner Hütte, dem Totengeist zum Opfer gefallen war. So genau konnte das niemand sagen.
    Owahiri öffnete noch einmal die Hand. Der Reiter. Alles hatte er Tupaia erzählt, nur den Reiter, den hatte er nicht erwähnt. Nicht einmal Revanui wusste von ihm. Wieder breitete sich das Gefühl der Scham in ihm aus.
    »Das ist

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