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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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er sich trotz aller Vorsicht zugezogen, das war das karge Ergebnis seiner Suche gewesen.
    Seth schob sich die Mütze, die mit zur ausgegebenen Kleidung gehörte, über die Ohren. Sie war aus Segeltuch und mit Flanell ausgeschlagen und groß genug, dass er seinen ganzen Kopf darinverschwinden lassen konnte. Nach dem Porridge in der Früh hatte es einen Becher Brandy extra gegeben, und immer noch glaubte er, das Brennen im Hals zu spüren, ebenso die Wärme, die sich in seinem Bauch ausgebreitet hatte.
    Nat stand neben ihm und starrte auf das Meer hinaus.
    Seth schob seinen Kopf in die Mütze hinein, hob die Hände und knurrte. Durch den Stoff konnte er seinen Bruder nicht sehen, aber er hörte ihn.
    Sein Lachen.
    Das erste Lachen, seitdem der Affe verschwunden war. Erwartungsvoll riss sich Seth die Mütze vom Gesicht.
    »Du bist so blöde«, sagte Nat, seine Mundwinkel zuckten noch leicht.
    Früher hatte Nat jeden Unfug mit einem anderen beantwortet. Früher hatte er oft gelacht, lange und laut. Und dabei waren seine Augen hell wie Kerzenschein gewesen. In letzter Zeit waren sie, egal, ob er gerade aufwachte, aß oder arbeitete, stumpf wie Segelmacher-Johns Haar. Und dieses Abstumpfen hatte bereits begonnen, bevor der Affe verschwunden war.
Vielleicht ist das mit der Mütze auch albern,
überlegte Seth. Er schaute verzweifelt gen Himmel.
Lieber Gott, hilf mir. Was soll ich denn nur machen?
    Eine weitere Wolkenfront zog auf, aus der eine der Wolken herausragte. »Schau, Nat«, rief er und packte seinen Bruder am Arm. »Die Wolke sieht aus wie ein Pilz.«
    »Ja, du hast recht.«
    Sofort zeigte Seth auf die Wolke daneben. »Und die sieht aus wie ein Weiberarsch.« Manchmal lachte Nat über Witze, die schmutzig waren, über Witze, in denen es um Frauen ging. Er beobachtete seinen Bruder aus den Augenwinkeln.
    Nat sah kurz in den Himmel und nickte.
    Es geht doch
, dachte Seth.
Hör nicht auf, mach weiter! Was jetzt? Gott, bitte hilf mir noch einmal.
»Und da, das sind zwei echt dicke Dinger, richtig dicke Titten. Siehst du die   –«
    Nat fuhr herum, seine erste Bewegung seit Langem, die Kraft und Schnelligkeit hatte. »Geh weg«, brüllte er. »Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
     
    An diesem Abend schwoll der Wind zu einem Tosen an. Er raste um das Schiff, dass die Segel beschlagen und die Luken verschalkt werden mussten. Nur ein Großsegel ließ Kapitän Taylor setzen, und im gesamten Schiff konnte man das Ächzen des Mastes hören, sobald der Wind sich im Stoff verbiss. Wer Freiwache hatte, verkroch sich in der anheimelnden Wärme des Mannschaftsdecks. Doch gesellige Stimmung wollte nicht aufkommen, die Männer hielten sich an ihrem Grog fest und blieben schweigsam.
    Immer häufiger brach die See über Deck. Seth lauschte. Ohne Mühe konnte er das Gurgeln der Wellen ausmachen, die sich über die Planken schoben. Er rollte sich in seiner Hängematte ein und zog die Mütze über sein Gesicht. Wieder donnerte ein Brecher an das Schiff. Die Hängematte schlug hin und her, dass Seth sich auf den Rücken drehte und mit beiden Händen am Stoff festklammerte. Er war dankbar für den Lärm des Sturmes, übertönte er doch sein Heulen.

Atlantik, 15.   Dezember 1785
     
    »Das Schiff hat sich in den Gelenken gelockert. Es liegt jetzt gut in den Wellen«, sagte Bartholomäus und zog der Robbe das Fell ab.
    »Das liegt nicht daran, dass sich das Schiff in den Gelenken gelockert hat. Das liegt daran, dass diese Bark in der Cat-Bauweise entstanden ist. Sie ist im Grunde ihres Herzens ein Kohlenschiff. Eine stabile Lady, die viel ertragen kann und deshalb gut in den Wellen liegt. Und jetzt erspare uns dein Halbwissen.« Sohnrey packte das Fell und reichte es Dan weiter. Linkisch hielt der Junge es in die Höhe.
    Henry schüttelte den Kopf und schnappte sich den Robbenleib. »Eure Sorgen möchte ich haben«, knurrte der Smutje und verschwand.
    Mary beugte sich vor und tastete den Hals des Zimmermanns ab. Die Schwellungen waren zurückgegangen, das Fieber gesunken. Für einen Moment sah sie über den Rand der Hängematte hinweg, sah Edison, der hinter den arbeitenden Männern stand und die Arme verschränkt hielt.
    »Warum nimmt der Smutje das Vieh mit? Das Fleisch schmeckt ranzig.« Er ließ seine Fingergelenke knacken, derweil er Henry hinterherblickte.
    »Es war zu wenig Fisch im Netz. Den fressen die Robben, also müssen wir die Robben fressen. So einfach ist das.« Sohnrey wischte die blutverschmierten Hände an

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