Vom Baum Der Erkenntniss
sollte.
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Tiefe des Geistes erkennt man nicht an dem Angeregtsein von Allem, was den Denker interessirt, sondern an der Dauer, wie lange man bei Jedem verweilt.
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Was ist schön? Dasjenige, was in einem und demselben Augenblick die Phantasie überrascht, dem Gemüth wohlthut und auch den Verstand dadurch befriedigt, daß dabei alles richtig zugegangen.
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Schreibe doch Einer ein ernsthaftes Buch über die Frage: »Was erscheint dem Prosaischen poetisch – ?«
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O sieh nur die klägliche Miene, die der freche Alltagssinn macht, wenn er einmal gezwungen wird, dem Evangelium des Schönen zuzuhören – !
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Geschmack ist angeboren und man kann ihn nicht lehren. Man kann nur anleiten, ihn zu üben und auszubilden.
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Wo von der Fülle des Glanzes und dem Zauber des Unerwarteten deine Augen geblendet sind, da mußt du die Augen des Herzens aufthun. Die werden bald erkennen, welcher Glanz vergänglich, welches Gold ächt oder Flitter ist.
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Vergleicht man das weite Gebiet alles Wissenswürdigen mit der Musik, so heißt Bildung nicht, jedes Instrument behandeln können, nicht einmal aus dem einen, das man vielleicht kann, jedes Tonstück vomBlatt spielen, sondern Bildung ist die Fähigkeit, den Schlüssel, die Tonart, die Zeichen zu nennen, die von einem Tonstück den näheren musikalischen Charakter angeben. Bildung besitzt derjenige, der sich einen wissenschaftlichen und sittlichen Maßstab erworben hat, jedes Wissenswerthe nach seiner ureigenen, im Gegenstand selbst liegenden Berechtigung desselben fassen und würdigen zu können.
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Entstünde nur die Ordnungsliebe so vieler Menschen aus Schönheitssinn und nicht aus Pedanterie!
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Die Lebenshumoristen werden immer seltener. Je mehr sich Parteiung, Heuchelei, Bigotterie in der Welt ausbreitet, je mehr die erschwerten Umstände des Daseins, Concurrenz, Bildungsanforderung die Menschen in die Enge treiben, desto ernster werden sie und desto humorloser. Wie in der Kunst durch Schulen, Systeme, Theorieen, Kritiken die absolute Objektivität gelehrt wird und auf dem ästhetischen Gebiet den Humoreinengt, so findet man auch im praktischen Leben weit mehr Menschen nach der Schnur, mathematische Pflichtmenschen, als gefällige Lebenskünstler. An älteren Herren und Frauen wissen wir oft nicht, was uns an ihnen so gefällig erscheint. Es ist noch der Besitz jenes Wohlwollens, jener Beweglichkeit, jenes Lebens und Lebenlassens, jenes Eingehens auf Andere, jener Freude an der Natur, an den Ereignissen, den Charakteren, kurz aller jener Auffassungen des Daseins, die eben zum Humor gehören. Humor besitzen heißt, einen Thron errungen haben und diesen zum Spielplatz verwandeln können.
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Der Enthusiasmus ist die Blüthe des Geistes. Schön steht es Jedem, der sich in dieser Maienzeit erhalten kann. Es gibt aber einige Gebiete der Forschung, wo der Enthusiasmus mehr erschreckend als erhebend wirkt. Dazu gehört die Naturforschung. Der Naturforscher, der eine zu lebhafte Phantasie verräth, macht uns gegen seine Experimente mißtrauisch.
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Dasjenige, was der witzige Kopf am leichtesten findet, erscheint oft Andern gerade als das Gesuchteste.
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Wir sind immer bessere Menschen, wenn wir eben Musik gehört haben, nicht aber immer bessere, wenn wir eben welche machten.
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Unbekannte, nie besuchte Stellen des Waldes durchschneidet oft die mathematisch gerade Linie einer neuen Eisenbahnanlage. Solchen plötzlich mit der Welt vermittelten und gleichsam aus einem langen stillen Traum aufgeschreckten Geheimgegenden des Naturlebens gleichen gewisse, zuweilen überraschend zum Vorschein kommende, seltsame und höchst wunderbare Menschen.
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Schlechtigkeit des Charakters, verbunden mit Geist, mit genialer Verstellung, Macchiavellismen u. s. w. imponirt nie den Frauen. Diese bleiben fest in ihrem Haßund ihrer Verwerfung. Männern dagegen mildert sich ihr Urtheil, wenn sie das Schlechte mit Virtuosität behandelt sehen.
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Wenn man etwas liest, will man den Verstand angeregt haben; wenn man etwas hört, das Gemüth und die Phantasie. Eine über irgend einen Gegenstand, den man einleuchtend machen will, niedergeschriebene Abhandlung muß anders motivirt und in der Reihefolge der Beweisführung geordnet sein, als eine darüber gehaltene Rede. Daher kommt bei Reden und Theaterstücken, die, vorgetragen, hinreißen, der geringere Eindruck, wenn man sie liest. Der Vortrag selbst thut dazu nichts.
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Der bessere Weg höherer Bildung ist der, vom
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