Vom Baum Der Erkenntniss
in dieser, nach der einen Seite hin gedankenlos frivolen, nach der andern gedankenlos bigotten Welt übrig bleibt. In der geringen Frequenz theologischer Hörsäle und der Seminarien liegt eine Mahnung. Wer sie hören wollte!
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»Partei« nennen manche Wortführer einen isolirten Desperationsstandpunkt, auf welchen nur sie allein durch Zufall, Ungunst des Geschicks oder ein Uebernehmen ihrer Kräfte gerathen sind.
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Die Schmalkaldner Fürsten hatten es bitter zu bereuen, als sie Karl den Fünften von jener liebenswürdigen Seite beurtheilten, die ihnen der Verschlageneauf den Reichstagen zeigte. Sie unterschieden nicht, was an ihm das Bleibende und Vergängliche war. Auf diese Art scheinen unsere Juristen jetzt an den Verbrechern irr geworden. Sie besuchen sie in ihren Gefängnissen, suchen ihrer innersten Natur beizukommen und lassen sich durch Treuherzigkeit, durch die Momente des Ausruhens und der Ansammlung neuer Kraft so sehr täuschen, daß sie durch ihren Glauben an bildsame und noch zu bessernde Naturen unsere ganze Strafgesetzgebung zu verwirren anfangen.
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Wenn der Staat so zum Vielfraß geworden ist, wie gegenwärtig, dann haben die Lassallianer eigentlich recht, wenn sie verlangen, daß er lieber unsern ganzen Menschen in Entreprise nimmt.
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Die Russen tadeln im Auslande Alles – mit Ausnahme dessen, was sie sich zufällig gekauft haben.
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Systemveränderungen, Glaubensmetamorphosen und ähnliche Revolutionen unseres Innern, zu denen man im Alter Jahre braucht, machen wir in der Jugend oft in wenigen Stunden durch.
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Allerdings ein müßiger Gedanke – : Wenn uns Goethe in unserer Literatur fehlte und wir Das, was er uns war und ist, erst zusammensetzen müßten aus Lessing, Klinger, Herder, Heinse und Andern! Und doch ist es uns oft so, als fehlte in unserm deutschen Geisterreiche noch ein großer Herrscher, für dessen Begriff wir hier und da nur Anleihen machen können und für dessen Herstellung selbst Goethe nur einen verhältnißmäßigen Bruchtheil abgeben würde.
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Von allen Heilmitteln der Seele ist die Zeit zwar das wirksamste, aber auch das kostspieligste. Man muß es mit einem unwiederbringlichen Dasein bezahlen.
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Jeder jüdische Kämpfer, der auch noch nach der Emancipation seiner Glaubensgenossen in den Reihen der Streiter für die allgemeine geistige und bürgerliche Freiheit ausharrt, zählt für zwei.
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Die gesunde Vernunft am Cigarrenrauchen kann doch wol nur die sein, daß das Spiel des allmähligen Vertilgens eines glimmenden Stengels von zusammengerollten Tabaksblättern ein müßiges Behagen weckt. Addirt man nun die Millionen solcher Stengel, die täglich in der Welt vertilgt werden, welcher unendliche Ueberschuß von Zeit, Gefühl des Glücks und Behagen wird bewiesen!
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Er hatte für die Leiden seines Volks ein offenes Ohr und ein fühlendes Herz, aber keine helfende Hand! Das wird die Geschichte an den Sarkophag der meisten Herrscher schreiben müssen.
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Wenn es auch wahr ist, daß sich selbst der redlichste, der beste Charakter, den man mit irgend einer Aufgabe in die Mitte einer gewaltig sich bewegenden und leidenschaftlich durcheinander taumelnden Welt stellt, ohne List nicht behaupten kann, so ist es doch noch immer nicht nöthig, daß die Biedermänner in solcher Lage auch gleich gar so durchtrieben werden.
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In Athen trat zuweilen eine Niederschlagung aller schwebenden Wucherfragen ein, die Seisachthie. Rom hatte seine Diktatur, die das Wahren und Befolgen der herrschenden Gesetze dem Belieben eines Einzelnen überließ. Papst Sixtus V. verordnete tägliche Hinrichtungen, um endlich Rom von einem Raub- und Mordgetreibe, das überhand genommen, zu befreien. Wie nun, wenn die Unsicherheit in unsern großen Städten, z. B. Berlin, nicht länger mehr zu ertragen sein wird, für den unaufhörlichen Kampf der Sicherheitswächter mit einem verwilderten, bestialischen Theil der Bevölkerung die Kräfte nicht mehr ausreichen, die Gefängnisse immer mehr von den Uebelthätern zwar für eine schlimme, aber doch noch nicht die schlimmste Chance betrachtet werden, da sie dort Obdachund Nahrung finden, und dies Elend immer höher und höher steigt, ja die Bedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens ganz aufhören läßt – würde nun da der entschlossene Wille, mit einer so gottverlassenen Brut, die sich nur außerhalb des Gesetzes erhalten will, endlich einmal aufzuräumen, in unserem Verfassungsleben und namentlich bei den
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