Vom Dämon besessen
Fellteppich.
Nirgendwo
im Zimmer war etwas von dem seelisch verwirrten Star zu sehen. Ein sozusagen
körperloser — das heißt, irgendwo eingebauter — Plattenspieler war in Betrieb,
und man brauchte kein Fan zu sein, um in dieser heiseren, weinerlichen Stimme
die Larry Golds zu erkennen.
Ich weine um dich — was soll ich sonst tun...?
Ich
zündete mir eine Zigarette an, fragte mich, was in Schlagertextdichtern wohl
vorgehen mochte, und trat vollends ins Zimmer. Ein schwacher Luftzug machte
mich darauf aufmerksam, daß die schweren, nun dicht über der Glaswand
zugezogenen Vorhänge sich in der Mitte leicht blähten. Ich teilte den Stoff,
stellte fest, daß die Glastür weit offenstand und trat, begleitet von der
traurigen Stimme, auf die Terrasse hinaus.
Nun bist du gegangen und ließ’t mich allein...
Die
Terrasse war groß — etwa zwölf Meter lang und drei Meter breit — und von einem
niedrigen weißgestrichenen Geländer umgeben. Man hatte einen eindrucksvollen
Blick in die sternfunkelnde, blauschwarze kalifornische Nacht, die in Beverley
Hills gewissermaßen eine Verschwendung darstellt, da sie jedesmal, wenn im
Fernsehen ein alter Film gezeigt wird, gegen das dort Gebotene scharf abfällt.
Eine geisterhafte weiße Gestalt stand in einer Ecke der Terrasse über das
Geländer gebeugt und schien ein sicherer Beweis dafür zu sein, daß jedenfalls heute abend in der Late Show kein alter
Toni-Astor-Streifen gezeigt wurde.
Ich
ging langsam auf sie zu, unsicher, wie sie reagieren würde, und besorgt, ihr
vielleicht solche Angst einzujagen, daß sie etwas Törichtes anstellen würde.
Als ich unmittelbar neben ihr stand, blieb ich stehen und legte sanft die Hand
auf ihren Arm. Die Haut unter meinen Fingern fühlte sich eiskalt an.
»Hallo,
Toni«, sagte ich leise.
»Er
hat immer herumgealbert«, sagte sie plötzlich mit klarer heller Kinderstimme.
»Die ganze Zeit hat er Faxen gemacht! Er war Romeo in der Balkonszene — im
Errol-Flynn-Stil, hat er gesagt — , und ich war seine
Julia. Und er hat Faxen gemacht, ist herumgesprungen und hat eingebildete
Duelle ausgefochten — immer hat er Unsinn gemacht —, und ich habe ihm gesagt,
er solle mit dem gräßlichen Zeug aufhören, und dann ist es noch schlimmer
geworden. Nach einer Weile habe ich zu ihm gesagt, ich ginge hinein und
unterhielte mich mit Baba — der Kuckuck solle ihn holen! Als ich ins
Schlafzimmer trat, hörte ich ihn rufen: >He, schau mal her! Der verlassene
Larry Gold ist wieder obenauf !< «
Ihre
Stimme schwankte plötzlich. »Ich blickte also hinaus und da stand er und
balancierte auf einem Bein oben auf dem Geländer. Ich wurde wahnsinnig böse auf
ihn — es war so gefährlich! — , und es war gräßlich
von ihm, so etwas zu tun! Deshalb ging ich wieder hinein und nahm Baba auf den
Arm und... und dann... dann...« Sie vergrub plötzlich das Gesicht in den
Händen.
»Nur
ruhig«, sagte ich freundlich.
»Dann
hörte ich ihn schreien«, flüsterte sie. »Und ich stürzte auf die Terrasse
zurück, und da war er bereits verschwunden! Und dann wußte ich...«
Sie
wandte sich mir schnell zu und verbarg das Gesicht an meiner Schulter, während
ihr ganzer Körper von heftigem verzweifelten Schluchzen geschüttelt wurde. Ich tätschelte ungeschickt ihre Schulter und gab
unsinnige Laute von mir, die mitfühlend und beruhigend wirken sollten; sie
waren wahrscheinlich mehr als nutzlos, aber nach einer Weile beruhigte sie
sich, hob den Kopf und blickte mich an.
»Er
liegt noch immer dort unten«, flüsterte sie. »Aber er bewegt sich nicht. Ich
habe ihn seit einer Ewigkeit beobachtet, Rick, wirklich seit einer Ewigkeit!
Aber er rührt sich nicht. Das ist doch gräßlich von ihm, nicht? Ich meine, ein
Spaß ist ein Spaß, aber er wird sich ganz bestimmt auf dem Betonboden dort
unten eine Erkältung holen !«
»Er
ist immer noch dort unten — wo ?« fragte ich langsam.
»Dort
unten!« Sie deutete vage in die blauschwarze Nacht. »Sehen Sie selber nach,
Rick. Sie können ihn ganz gut sehen .«
Ich
packte mit festem Griff das Geländer und blickte hinab — verdammt tief hinab.
Das Haus stand am Rand eines steil abfallenden Felsens, der auf einem Stück ebenen
Rasens endete, welches von einem Zaun umgeben war, hinter dem das Gelände
erneut in eine Schlucht abfiel. An dem oberen Felsen war eine Holztreppe
angebracht, die bis zu dem Rasenstück hinunterführte. Die unterste Stufe ruhte
auf einem betonierten Vorplatz eines Schwimmbeckens. Das
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