Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
obwohl sich der Übergang diesmal nicht ganz so intensiv angefühlt hatte wie heute Morgen. Ich atmete noch einmal tief durch, bis das Gefühl ganz verschwunden war, dann stieß ich mich vom Wagen ab und ging zur Veranda. Ich deaktivierte die Abwehr und betrat das Haus.
Der Flur war leer, und die Tür zur Bibliothek stand offen, was ich für ein positives Zeichen hielt. Zumindest hatte der Reyza es geschafft, sie zu öffnen.
Trotzdem spähte ich sehr vorsichtig um den Türpfosten. Als ich Kehlirik in der Mitte der Bibliothek hocken sah, die Arme um die Knie geschlungen und die Flügel auf dem Rücken zusammengefaltet, atmete ich erleichtert auf. Seine Haut hatte eine leicht grünliche Farbe angenommen, und ich meinte, ein leichtes Zittern in seinen Schwingen wahrzunehmen. Das beantwortet jedenfalls die Frage, ob Kehlirik den Übergang auch gefühlt hat.
Ich tastete mich vorsichtig vor, spürte aber nichts mehr von den hässlichen Wächtern, die vor Kurzem noch dort gewesen waren. Besorgt betrachtete ich den Dämon. „Bist du in Ordnung? Hattest du Erfolg?“
Er nickte einmal. „Ja, Beschwörerin.“ Seine Nasenflügel blähten sich. „Ich … habe Hunger. Vergebt mir, aber es war schwieriger, als ich erwartet hatte.“
„Kein Grund, dich zu entschuldigen, Verehrter. Ich kann dir etwas zu essen bringen.“ Der Reyza sah ziemlich beschissen aus. Ich hatte noch nie einen von ihnen so blass und still erlebt. Es musste ein harter Kampf mit den Wächtern gewesen sein. „Äh … verträgst du unser Essen?“
Er veränderte die Lage seiner Schwingen. „Das tue ich, obwohl ich es vorziehe, kein Fleisch zu essen.“
Ich blinzelte. Ein vegetarischer Dämon. „In Ordnung. Warte hier. Ich bin gleich wieder da.“ Ich drehte mich um und lief zur Küche meiner Tante. Leider war ich mir gar nicht sicher, ob überhaupt irgendetwas zu essen im Haus war. Jedenfalls bestimmt nichts Verderbliches. Mit gerunzelter Stirn durchwühlte ich die Schränke. Schon vor Wochen hatte ich den Kühlschrank ausgeräumt, und in den Schränken war auch nicht viel. Eine Schachtel Popcorn für die Mikrowelle, eine Tüte mit Brezeln. Kräcker. Eine Dose rote Bohnen und ein Karton mit Kochbeutelreis.
„Dann gibt es eben ein Arme-Leute-Essen: rote Bohnen mit Reis“, murmelte ich. Bohnen waren schließlich vegetarisch. Hoffentlich war er kein Veganer, denn ich hatte keine Ahnung, ob die Bohnen von Blue Runner diese Maßstäbe erfüllten. Aber im Moment hatte ich keine große Wahl. Ich öffnete die Bohnen und kippte sie in einen Topf, dann setzte ich in einem anderen Wasser auf. Den Popcornbeutel schob ich auch noch in die Mikrowelle. Kehlirik wirkte auf mich, als brauchte er sofort etwas zu essen.
Ich rührte die Bohnen um, während das Popcorn in der Mikrowelle knallte. Meine Gedanken begannen abzuschweifen, während ich zusah, wie die Sonne zwischen pinkfarbenen und blauen Streifen im See versank. Ein solcher Blick wäre für mich der einzige Grund, mitten in der Stadt zu leben. Ich liebte meine Privatsphäre, aber der Ausblick von Tessas Küchenfenster war einfach umwerfend.
Die Mikrowelle piepte, und ich nahm die Tüte heraus. Ich kippte den Inhalt gerade in eine Schüssel, als ich einen Schrei aus dem Flur hörte. Das war nicht Kehlirik gewesen .
Dann ertönte ein Knurren. Und das stammte von ihm.
Ich stürmte aus der Küche, immer noch die Schüssel mit Popcorn in der Hand. Jill stand im Flur und starrte Kehlirik an, der die Tür zur Bibliothek ausfüllte. Dann geschah alles wie in Zeitlupe.
Jill zog ihre Waffe. Scheiße!
„ Nein!“ , brüllte ich.
Ich hatte keine Angst, dass Jill ihn treffen könnte, ich wusste, wie schnell und mächtig ein Reyza war. Ich fürchtete vielmehr, dass die Sache für sie tödlich enden könnte. „Kehlirik, nein! Jill, lass das!“
Jill riss den Kopf herum und starrte mich mit vor Entsetzen geweiteten Augen an, die Waffe immer noch auf den Dämon gerichtet. Kehlirik rührte sich nicht, aber ich spürte die Anspannung in ihm, und ich wusste, dass seine Reaktion – sollte er sich dazu entschließen – schneller erfolgen würde, als ich es mit meinen Augen jemals erfassen konnte.
„Jill, es ist nicht das, was du glaubst.“ Dann verzog ich das Gesicht. „Okay, vielleicht ist es doch das, was du glaubst. Aber er wird dir nichts tun, das schwöre ich.“ Ich sah wieder zu Kehlirik. Er rührte sich immer noch nicht, sondern funkelte die kleine Kriminaltechnikerin nur an. Ich ging zu ihm und stieß
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