Vom Dämon versucht - Rowland, D: Vom Dämon versucht
hatte, ich wäre gestorben. Es war ja nicht meine Schuld gewesen, und die einzige Alternative hätte für mich darin bestanden, für immer tot zu sein. Aber Beisetzungen waren furchtbare, belastende Veranstaltungen, und Polizisten hielten eng zusammen. Der Verlust eines Kollegen war wie der Verlust eines Familienmitglieds, und ich wusste, ich war nicht die Einzige, die sich davor fürchtete, zu dieser Beerdigung zu müssen.
Und für Brian wird garantiert eine geradezu lächerlich aufgeblasene Zeremonie abgehalten werden. Da er der Sohn von Richter Harris Roth gewesen war, würde jeder Anwalt, jeder Politiker und jeder sonstige Arschkriecher dort sein.
Ich zuckte innerlich zusammen und verpasste mir für diese lieblosen Gedanken eine mentale Kopfnuss. Brian war ein Cop gewesen, und als solcher würde man ihm die gebührende Ehre erweisen, selbst wenn er nicht im Dienst gestorben war und auch wenn es noch viele ungelöste Fragen zu seinem Tod gab. Offensichtlich waren Gerüchte durchgesickert, dass noch nicht geklärt war, ob Brian Carol getötet hatte. Ich ging davon aus, dass Pellini wahrscheinlich etwas hatte verlauten lassen, aber im Moment konnte ich es ihm nicht übelnehmen, dass er etwas über eine laufende Ermittlung hatte verlauten lassen. Es hatte die Moral aller unglaublich gestärkt, zu erfahren, dass Brian möglicherweise unschuldig war.
Dieser Gottesdienst würde völlig anders werden als der von Carol Roth. Ihre Eltern hatten auf eine ganz private, sehr persönliche Trauerfeier bestanden, die völlig ohne jeden Aufwand am Tag zuvor stattgefunden hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ihr früherer Schwiegervater, Richter Roth, teilgenommen hatte – oder eingeladen gewesen war. Ich hätte es Carols Familie nicht vorwerfen können. Da man davon ausging, dass Brian sie getötet hatte, war es nur verständlich, wenn niemand ein Mitglied seiner Familie dort hatte sehen wollen. Außerdem waren diese Tage für Richter Roth auch so schon schwer genug.
Seufzend trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mich noch einmal im Spiegel. Ich sah wirklich beschissen aus, das fiel selbst mir auf. Ich hatte dunkle Schatten unter den Augen, mein Gesicht war blass und meine Uniform inzwischen ungefähr drei Nummern zu groß. Na ja, wenn man im Schnitt drei Stunden pro Nacht schläft, ist das auch kein Wunder. Und selbst das kriege ich nur mit ein paar Gläsern Wein hin.
Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach die Hasstiraden gegen mich selbst. Ich streckte meinem Spiegelbild die Zunge raus, dann ging ich zur Tür und warf einen Blick durch den Spion.
Ich öffnete und bemerkte als Erstes Ryans gerunzelte Stirn. „Du siehst schick aus“, sagte ich. Und das tat er auch, weswegen ich mich noch zehnmal schlampiger fühlte. Er sah zu hundert Prozent wie ein FBI -Agent aus, in einem gut geschnittenen dunkelblauen Anzug, mit gebügeltem weißem Hemd und grauer Krawatte. „Wieso?“
„Ich dachte, ich gehe mit dir zu der Beisetzung.“
Vor Erleichterung gaben fast meine Knie nach, und ich begriff, wie nervös es mich gemacht hatte, dem Rest des Departments gegenüberzutreten. Ich wusste, wie dämlich das war, aber da die letzte Beerdigung meine eigene gewesen war, fühlte ich mich dabei irgendwie unbehaglich. „Danke“, stieß ich voller Inbrunst hervor. Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Er hatte verstanden.
„Du brauchst eine neue Uniform“, bemerkte er, während er mich musterte.
Ich schnaubte und griff nach meinen Schlüsseln. „Ich trage das verdammte Ding kaum einmal im Jahr, und unseren jährlichen Uniformzuschuss bekommen wir erst nächsten Januar. Bis dahin hab ich wahrscheinlich jedes einzelne Kilo wieder zugenommen.“ Ich trat aus der Tür und schloss sie hinter mir ab.
„Gut“, sagte er, während er mir die Stufen hinab folgte. „Im Moment bist du nämlich nur noch Haut und Knochen.“
Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu. „Du weißt genau, wie du es schaffst, dass eine Frau sich echt sexy fühlt.“
Er grinste. „Okay, wie wäre es dann mit: Du schaffst es, auch in einer zu großen Polyesteruniform noch heiß auszusehen.“
Ich hatte Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr mir der Gedanke gefiel, dass er mich heiß finden könnte. Nicht dass er das tat. Er hatte ja bereits gesagt, dass ich ziemlich dürr war. Stattdessen warf ich demonstrativ einen Blick auf meine Klamotten und verdrehte die Augen. „Offenbar suchst du ziemlich verzweifelt weibliche Gesellschaft.“
Er zuckte die Achseln.
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