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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Gewissen plagte. »Es geht mir gut. Es tut mir wirklich schrecklich leid, wenn ich dich erschreckt habe, aber… Uns?«
    Erst in diesem Moment bemerkte ich den Mann. Er sah leicht zerknittert aus und hatte etwas Lehrerhaftes an sich, wie er da einige Schritte von uns entfernt stand und Allie und mir die Möglichkeit ließ, uns erst einmal zu begrüßen. Ais er nun merkte, dass die Unterhaltung auch ihn mit einschloss, trat er zu uns. Er stützte sich leicht auf einen Stock und humpelte ein wenig.
    Wahrscheinlich war er so um die vierzig. Sein kastanienbraunes Haar begann an den Schläfen grau zu werden. Seine silbergrauen Augen waren hinter der Nickelbrille kaum zu erkennen. Irgendwie kam er mir seltsam vertraut vor. Ich runzelte die Stirn. Hatte ich ihn schon einmal gesehen? Auch er benahm sich fast so, als würde er mich kennen, und ich merkte, wie ich unter seinem klaren Blick nervös zu werden begann.
    »Hallo, ich bin David Long«, stellte er sich vor und streckte mir die Hand entgegen.
    »Nachdem die Verbindung plötzlich abgerissen war, bin ich losgerannt und habe ihn gesucht, weißt du«, erklärte Allie ganz aufgeregt.
    Mr. Longs Lächeln hatte etwas Beruhigendes. »Ich habe ihr erklärt, dass Sie sich höchstwahrscheinlich nicht in Lebensgefahr befinden.«
    »Äh… Vielen Dank.«
    »Mr. Long unterrichtet Chemie«, klärte mich Allie auf. »Ich werde im nächsten Halbjahr den Einführungskurs bei ihm belegen.«
    »Freiwillig?« Es fiel mir sehr schwer, die Konzepte »Allie« und »Naturwissenschaften« in eine Verbindung miteinander zu bringen.
    »Äh… Ja.«
    »Chemie?«, wiederholte ich. »Das Fach mit den Reagenzgläsern und dem Bunsenbrenner, wo alles zischt, blubbert und raucht?«
    »Mutter«, entgegnete sie in einem Tonfall, der so klang, als ob sie gerade auf etwas ausgesprochen Bitteres und Ekelhaftes gebissen hätte. »Ich bin schließlich nicht blöd oder so.«
    »Natürlich bist du das nicht, mein Schatz«, erklärte ich automatisch. »Du schaffst immer alles, was du dir vorgenommen hast.«
    »Genau.« Sie nickte zufrieden und sah dann David Long an, der ihr zulächelte.
    Ich unterdrückte das Bedürfnis, mir einen Schlag gegen die Stirn zu versetzen, als ich begriff, was hier vor sich ging. Meine Tochter, die bisher immer irgendwelche Jungs mehr oder weniger in ihrem Alter toll gefunden hatte, hatte sich jetzt offensichtlich in ihren Lehrer verknallt. Eine andere vernünftige Erklärung gab es nicht.
    Ich versuchte, diesen Gedanken zu verdauen. Was sollte ich davon halten, dass sich meine Tochter in den Chemielehrer verliebt hatte? Eigentlich hatte ich kein Problem damit, solange dieses Gefühl dazu führte, dass sie sich für Naturwissenschaften interessierte. Da konnte mir das nur recht sein. Solange Mr. Long rein professionell blieb und das tat, wofür er bezahlt wurde. Falls irgendetwas Unpassendes geschah, würde er sich jedoch wünschen, nie geboren worden zu sein. Bei einer Begegnung in einer dunklen Gasse würde ich bestimmt nicht zimperlich vorgehen.
    Der Gedanke daran erheiterte mich und erinnerte mich gleichzeitig daran, dass ich bereits einen anderen Kandidaten auf meiner Dunkle-Gassen-Liste vermerkt hatte.
    »Komm schon«, sagte Allie und nahm mich an der Hand. Ihre Sorge um mich war offenbar verflogen. »Ich habe beim Aufbauen geholfen, und wenn wir uns beeilen, bekommen wir vielleicht noch ein Stück Schokoladenkuchen, bevor die Festlichkeiten anfangen.«
    Ich wollte nichts lieber, als mit meiner Tochter Kuchen essen. Aber leider gehen Dämonen tendenziell vor (schwer zu glauben, aber wahr), und an diesem Tag hatten Dämonen sogar den Vorrang vor meiner Familie. Eine Tatsache, die mir fast das Herz brach, vor allem da Allie so eifrig an meiner Hand zog. Sie freute sich darüber, dass ich da war, obwohl sie am Anfang ihrer Pubertät stand und die Hormone in ihr zu toben begonnen hatten.
    Aber hatte ich eine Wahl? In der Highschool war ein Dämon los. Und um mein Kind zu retten, musste ich diesem Kind erst einmal weh tun.
    Sanft befreite ich meine Hand. »Geh du schon einmal vor. Ich komme gleich nach.«
    »Aber Mami!«
    »Ganz ehrlich, Allie, ich muss nur noch schnell – « Was musste ich noch schnell? Was konnte ich sagen, was die Verletzung, die ich bereits in ihren Augen erkennen konnte, nicht noch größer machen würde?
    In diesem Moment mischte sich Mr. Long ein. Er legte seine Hand auf Allies Schulter und kam mir zu Hilfe. »Deine Mutter muss nur noch ein paar Dinge

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