Vom Daemon verweht
vernahm, hörte er sogleich auf, an meiner Hand zu reißen. »Happy Meal!«, begann er zu heulen. »Will Happy Meal, Mami!«
Cutter lachte. »Tut mir leid.«
»Dafür schuldest du mir was«, sagte ich und versprach Timmy ein Happy Meal, wenn er aufhörte, an meinem Arm zu reißen, sich in der nächsten Bank benahm und damit einverstanden war, statt Pommes Frites Apfelmus zu seinem Happy Meal zu nehmen. Da es bei den Happy Meals im Grunde um das Spielzeug geht, lächelte er zufrieden und salutierte. »Aye, aye, Kapitän!«
Cutter sah mich fragend an.
»SpongeBob«, erklärte ich. Ich mochte vielleicht nicht in der Lage sein, die Top Ten der gerade angesagten Fernsehserien oder Kinohits aufzulisten, aber mit Kinderprogrammen kannte ich mich aus.
Sobald Timmy und ich bei der County-Mutual-Bank eingetroffen waren, amüsierte sich mein kleiner Junge, indem er durch den ganzen Raum lief, am anderen Ende an die Wand schlug und dann wieder zurückraste. Wahrscheinlich hätte ich ihn zurechtweisen sollen – eine weitere Drohung mit einem Happy-Meal-Entzug hätte es wohl getan –, aber ich konnte ihn verstehen. Ein schneller Sprint war auch für mich eine verdammt verlockende Vorstellung, und wenn ich mich schon nicht auf diese Weise abreagieren konnte, dann sollte das zumindest mein kleiner Junge tun.
Wir warteten fünf Minuten, ehe mich die Angestellte, die mit den Tresorfächern zu tun hatte, zu sich rief.
Ich brauchte eine weitere Minute, um Timmy mit einer der kleinen Dosen mit Knetgummi, die ich immer in meiner Tasche habe, ruhigzustellen. Dann reichte ich ihr den Schlüssel. »Ich möchte an dieses Schließfach.«
Ich hatte mich entschlossen, nicht verlauten zu lassen, dass ich keine Ahnung hatte, wer das Fach gemietet hatte. Vielleicht würde die Frau einfach die nötigen Informationen auf ihrem Computer abrufen und könnte mir dann sogar den Namen des Inhabers nennen.
Ich weiß zwar nicht viel darüber, wie Banken funktionieren, aber in Filmen kann man jedenfalls nie so einfach ein Schließfach öffnen lassen, nur weil man den passenden Schlüssel dazu besitzt. Der Name des Schlüsselinhabers muss der gleiche sein wie der des Mieters. Ich bezweifelte also, dass ich bereits an diesem Tag eine Antwort bekommen würde. Aber mit etwas Glück würde ich zumindest den Namen erfahren, auf den das Schließfach gemietet war. Und das wäre schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Die Bankangestellte – ihrem Namensschild nach Ms. Sellers – tippte etwas auf ihrer Tastatur.
»Hier ist es ja«, sagte sie und sah mich freundlich lächelnd an. »Dann müssen Sie Katherine Crowe sein?«
Der Raum schien sich auf einmal zu drehen, und ich hielt mich an der Tischkante fest, um nicht vom Stuhl zu fallen. Mühsam brachte ich ein Nicken zustande, und es gelang mir, nicht in Schluchzen auszubrechen.
Offensichtlich wirkte ich allerdings nicht völlig gelassen, denn Ms. Sellers runzelte die Stirn und beugte sich besorgt vor. »Ms. Crowe? Alles in Ordnung?«
»Ja, tut mir leid.« Ich wischte mir nun doch Tränen aus den Augen. »Alles in Ordnung. Ich bin Katherine Crowe. Oder vielmehr war ich das einmal. Mein Mann ist vor fünf Jahren gestorben. Ich habe wieder geheiratet und heiße jetzt Katherine Connor.«
»Es tut mir leid, dass Sie Ihren ersten Mann verloren haben«, sagte die Frau.
»Danke«, erwiderte ich automatisch, wenn auch noch immer mit unsicherer Stimme.
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber es war garantiert nicht mein Name in diesem Computer gewesen. Zudem hatte ich keine Ahnung, was ich nun tun sollte.
Ich holte also tief Luft und sprang einfach ins kalte Wasser. »Äh… Es muss schon einige Jahre her sein, seit ich dieses Fach gemietet habe«, sagte ich. »Ich kann mich nämlich gar nicht mehr daran erinnern.«
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch. »Wirklich? Warum sind Sie dann hier?«
Eine gute Frage. »Ich habe zufällig den Schlüssel dazu gefunden«, erklärte ich. »In meiner Schmuckschatulle«, fügte ich hinzu, weil ich durch Erfahrung gelernt hatte, dass eine detailliertere Lüge überzeugender wirkte als eine vage. »Wann genau haben wir also das Fach… äh… gemietet?« Dass »wir« das getan hatten, war nur geraten.
Sie sah mich an. In ihrer Miene spiegelte sich Mitgefühl, aber auch noch etwas anderes wider. »Es tut mir leid«, sagte die Frau. »Aber ich muss leider noch einen Führerschein oder einen Pass von Ihnen sehen.«
»Natürlich. Klar. Kein Problem.«
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