Vom Daemon verweht
heißt, er ist mein Selbstverteidigungslehrer, mein Trainingspartner und inzwischen auch ein Freund. Er kennt zwar keines meiner Geheimnisse, aber er ist schlau genug, um zu wissen, dass ich welche habe.
Er trainierte außerdem Allie, Mindy und Laura, die ich alle fit genug wissen wollte, um jederzeit einen Kampf zu überstehen. Zu meinem Stolz stand Allie an der Spitze dieser Dreiergruppe. Sie hatte das Training nicht aufgegeben, obwohl sie durch den Cheerleader-Kurs und einige weitere außerschulische Aktivitäten eigentlich mehr als genug zu tun hatte.
Ich redete mir ein, das läge an ihrem Ehrgeiz. Realistisch betrachtet, hatte es aber wahrscheinlich eher mit der Tatsache zu tun, dass Cutter ein verdammt gut aussehendes Exemplar der männlichen Spezies darstellte und meine Tochter vierzehn und ihrem Alter entsprechend verrückt nach solchen Exemplaren war.
Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich unrealistisch sei.
Sobald Timmy Cutter erblickt hatte, riss er sich von meiner Hand los und rannte begeistert auf ihn zu. Er streckte ihm stolz seinen Lolli entgegen, und Cutter bewunderte ihn gebührend.
»Sieht lecker aus«, meinte er.
»Du kannst etwas abhaben«, erklärte mein Sohn großzügig und bewies damit, wie sehr er meinen Selbstverteidigungslehrer mochte. Für Timmy bedeutete das Teilen von Süßigkeiten den höchsten Grad von Zuneigung.
»Danke, mein Junge. Aber ich möchte gerade nicht«, lehnte Cutter freundlich ab.
Timmy blickte verwirrt drein. Wie konnte jemand einen Lolli ablehnen? Doch dann steckte er ihn sich wieder in den Mund. Offenbar hatte er begriffen, dass auf diese Weise mehr für ihn übrig blieb. Er lutschte heftig, und seine Schmatzgeräusche untermalten unsere Unterhaltung.
»Was machst du denn hier an einem Samstag?«, fragte ich. »Musst du nicht trainieren?«
»Ich habe gerade Mittagspause. Mein Vermieter möchte verkaufen. Also entweder muss ich den Laden selbst erwerben oder neue Räumlichkeiten finden.« Er zeigte auf das Schild für die Kreditanträge. »Deshalb verschwende ich gerade eine weitere Mittagspause damit, einen Antrag für einen Gewerbekredit zu stellen.«
Ich schüttelte mitfühlend – und ernst gemeint – den Kopf. Falls Cutter woanders hinzog, würde das für mich ausgesprochen unangenehm sein. Sein Studio befand sich ganz in unserer Nähe. Wir brauchten nicht einmal fünf Minuten von Tür zu Tür. Außerdem befand sich direkt neben dem Studio ein Supermarkt. Das bedeutete, dass ich zuerst meine verschiedenen Tritttechniken üben, dann rasch Milch und Brot kaufen und wieder zu Hause sein konnte, ehe sich Allie am Morgen für die Schule hergerichtet hatte.
»Jedenfalls«, sagte er, »ist es wirklich scheiße – sorry, blöd.« Er blickte auf Timmy, der sofort begeistert »Scheiße!« zu brüllen begann.
Cutter entschuldigte sich noch einmal und nahm dann Timmy an der Hand. Wir gingen nach draußen. Timmy sang noch eine Weile »Scheiße« vor sich hin, verlor aber allmählich das Interesse und begann stattdessen, die Blätter von einem kleinen Strauch, der in einem Kübel vor der Bank stand, einzeln abzuzupfen.
»Ich hoffe, du wirst deinen Kredit bewilligt bekommen«, sagte ich.
»Das werde ich. Ich muss nur noch die richtige Bank finden.« Er betrachtete mich von der Seite. »Im Grunde genau wie du.«
Ich fasste Timmy gerade noch rechtzeitig an seinem T-Shirt, ehe er auf die Fahrbahn hinausrennen konnte. »Ich verstehe nicht ganz, was du meinst«, sagte ich zu Cutter.
Er nahm mir Timmy ab und setzte ihn sich auf die Schultern. Der Kleine schrie und kreischte und riss begeistert an Cutters Haaren. Auf dessen Gesicht zeigte sich keinerlei Regung. Also musste die Militärausbildung, die er in seinem Lebenslauf angeführt hatte, wohl tatsächlich der Wahrheit entsprechen.
»Ich habe da drinnen gehört, worum es ging«, meinte er, nahm seine Sonnenbrille ab und steckte sie sich in die Hemdtasche, ehe Timmy sie in die Hände bekam. »Worum geht es genau? Versuchst du eine Bank zu finden, zu der dein Schlüssel passt?«
»Ja, so in etwa«, gab ich zu.
»So etwas kommt bestimmt häufig vor. Sicher suchen viele für einen geheimnisvollen Schlüssel das richtige Schließfach«, fuhr er lässig fort.
»Cutter…«
Er hob die Hände und gab sich fürs Erste geschlagen. »Ich wollte es ja nur mal wieder versuchen, dir etwas zu entlocken.«
»Habe ich bemerkt«, entgegnete ich und musste grinsen. Ich vertraute Cutter. Natürlich nicht genug, um ihm
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