Vom Daemon verweht
Ich holte meinen Führerschein heraus und reichte ihn ihr.
»Haben Sie auch noch etwas, was auf Ihren alten Namen Katherine Crowe ausgestellt ist?«
Das hatte ich tatsächlich – und zwar meinen alten Führerschein. Ich weiß eigentlich nicht so genau, warum ich ihn immer noch mit mir herumtrage, aber ich tue es. Er steckt zusammen mit den Fotos meiner Kinder im hintersten Fach meiner Geldbörse. Man muss eigentlich den alten Führerschein zurückschicken, wenn man einen neuen bekommt, aber ich hatte damals einfach behauptet, ihn verloren zu haben. Zum Glück hakte niemand nach.
Jetzt holte ich ihn jedenfalls heraus und reichte ihn Ms. Sellers. Sie nahm ihn, verglich die Nummer mit der Nummer auf ihrem Monitor und nickte zufrieden.
»Wir haben leider auch noch keinen Beleg, dass Mr. Crowe gestorben ist. Am besten bringen Sie uns bald einmal die notwendigen Unterlagen herein, damit wir das Schließfach und das Konto auf Ihren Namen übertragen können. Ihre Unterschrift haben wir ja bereits, so dass der ganze Vorgang recht schnell gehen sollte.«
»Einen Moment – Sie sagten etwas von einem Konto. Gibt es denn auch ein Konto?«
»Ganz genau. Bei uns können nur Kontoinhaber ein Schließfach mieten.«
»Ich verstehe.« Wieder runzelte ich die Stirn. »Wie viel Geld befindet sich denn noch darauf?«
Sie tippte etwas auf ihrem Computer. »Achthundertsiebenunddreißig Dollar und dreiunddreißig Cent.«
»Oh.« Das Ganze wurde immer seltsamer. Allein die Tatsache, dass dieses Konto existierte, konnte ich mir nicht so recht erklären. Eric und ich hatten immer ein gemeinsames Konto gehabt, aber nie diese Bank benutzt.
Von der Tatsache ganz abgesehen, dass man hier bereits meine Unterschrift vorliegen hatte.
Das war zwar seltsam, ließ sich aber leicht erklären. Eric hatte wahrscheinlich die notwendigen Formulare für mich mit nach Hause gebracht, damit ich sie dort unterschreiben konnte. Da er bei uns für alles Finanzielle zuständig gewesen war, hatte ich allem, was damit zu tun hatte, nie viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Eric hatte also ein Konto eröffnet und darauf Geld eingezahlt. Vielleicht stimmen Sie mir ja nicht zu, aber mir kommt es seltsam vor, wenn ein Mann, der ein geheimes Konto hat, von dem seine Frau nichts wissen soll, diese Frau als Mitinhaberin angibt. Auf einem solchen Konto hätte ich auch wesentlich mehr Geld erwartet. Ich will nicht über achthundert Dollar verächtlich die Nase rümpfen, aber es ist bestimmt nicht genug, um damit nach Rio abzuhauen.
Eric wäre allerdings sowieso nie nach Rio abgehauen. Jedenfalls nicht ohne mich.
Was hatte er also damit gewollt?
Ich musste dringend einen Blick in das Schließfach werfen. Zuvor hatte ich allerdings noch ein paar Fragen. Ms. Sellers war augenblicklich zudem recht gesprächig und hegte vielleicht auch Mitgefühl für mich, was mir nur zugute kommen konnte.
»Wann haben wir eigentlich noch mal genau das Konto eröffnet?«, fragte ich.
Sie sah nach und nannte mir ein Datum. Mein Magen verkrampfte sich. Nur einen Monat vor Erics Tod.
»Ms. Connor?« Sie sah mich besorgt an. »Alles in Ordnung? Hilft Ihnen das weiter?«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Alles okay. Danke.« Ich räusperte mich. »Und wie sieht es mit Kontobewegungen aus? Ist in den letzten Jahren irgendetwas abgehoben oder eingezahlt worden?«
Sie sah wieder auf ihren Bildschirm. »Nein, weder noch. Nur die Miete für das Schließfach wurde in diesem Zeitraum abgebucht.«
»Verstehe«, murmelte ich, obwohl ich es in Wahrheit nicht tat. Jedenfalls nicht völlig. Noch nicht.
Ich stand auf, und Timmy zog sich an mir hoch. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte ich und nahm die Hand meines Sohnes. »Ich würde jetzt gern einen Blick in das Schließfach werfen.«
»Natürlich«, erwiderte sie und führte uns in den Tresorraum, wo ich gemeinsam mit Ms. Sellers den Schlüssel in ein Fach steckte und sie mir das Türchen öffnete. Ich zog einen kleinen Metallbehälter heraus, der sich als überraschend leicht entpuppte. Die Bankangestellte führte mich daraufhin in einen winzigen Raum, wo ich den Inhalt des Behältnisses allein begutachten konnte. Vermutlich saßen in den umliegenden Räumen wesentlich reichere Leute vor Bergen von Juwelen, die sie aus ihren Tresorfächern geholt hatten und wie Konfetti durch ihre Finger rieseln ließen.
Sobald sie uns allein gelassen hatte, schloss ich die Tür hinter mir zu. Nun war ich mit Timmy in dem klaustrophobisch kleinen Raum
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