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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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kompetente Hilfestellungen unumgänglich, da in Transformationskrisen meistens mystische Inhalte mit psychopathologischem Material verwoben sind. Es gibt auch einen spirituellen Abwehrmechanismus, der persönliche Probleme verleugnet und umdeutet. Eine Person musste eine Gruppe verlassen, weil sie sich dem Leiter gegenüber kritisch äußerte. Eine andere Teilnehmerin sprach danach davon, dass sie eine Vision hatte, dass die Betroffene eine Hexe sei, die Ungemach über die Gruppe hätte bringen können. Deshalb sei es nichts als der göttliche Wille, dass sie nun nicht mehr dabei ist.
    Konstruktive Konfrontationen können auch die Bescheidenheit und Demut vor dem Größeren in uns stabilisieren, da die Gefahr der persönlichen Überhöhung immer akut ist. Dies gilt ganz besonders, wenn der Weg glatt verläuft und »tolle Erlebnisse« möglich waren, die missionarischen Eifer und überwertige Ideen nach sich ziehen können. Darüber hinaus verfügen kompetente Begleiter über ein Repertoire an Übungen und Hilfestellungen, die dem inneren Prozess einen sicheren Rahmen geben. Praktische Tipps für eine angemessene Lebensweise, vor allem in turbulenten Zeiten, können darüber hinaus Orientierung verleihen.
    Da auch von spirituellen Lehrern immer wieder schwerwiegende Entgleisungen ans Tageslicht kommen, scheint es gar nicht so einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das Sprichwort »Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten« trifft hier ganz besonders zu. Aus gutem Grunde ist vorher genau zu prüfen, wo ich mich hinwende. Im Verlauf der Geschichte traten etliche religiöse Autoritäten auf, die massenhaft Anhänger um sich scharten und dann die Menschen ausbeuteten und seelisch in den Abgrund führten. Zahlreiche selbsternannte Meister haben leichtgläubige Menschen dazu verlockt, ihren Besitz zugunsten der Gemeinschaft aufzugeben, die Familien zurückzulassen und sich vollkommen den autoritären Anweisungen unterzuordnen. Denken wir an die Auswüchse der Bhagwan-Bewegung, in deren Blütezeit der Guru tagtäglich in einem nagelneuen Rolls-Royce gefahren werden musste, oder an sexuelle Übergriffe, Machtmissbrauch oder Alkoholeskapaden von anderen bekannten Meistern. Die Frage, wem man vertrauen kann, ist demnach von hoher Bedeutung.
    Das Problem dabei ist, dass solche Verfehlungen vielleicht erst mit zunehmendem Bekanntheitsgrad und wachsender Anhängerschaft akut werden. Verleugnung ist ein weiterer Mechanismus, der bei Schülern dann eintritt, wenn sie sich schon einer längeren Praxis unterzogen haben und nicht glauben wollen, was passiert ist. Durch haarsträubende Begründungen und Verschwörungstheorien werden dann letzte Zweifel am Vorgehen beseitigt. Wenn dann aufsehenerregende Fälle, wie die Massenselbstmorde der Volkstemplersekte in Guyana oder Tote nach einer Verabreichung eines Drogencocktails in einer therapeutischen Gruppe in Berlin, die Öffentlichkeit schockieren, kommt es zu pauschalen Verunglimpfungen. Zu allem Überfluss stand der behandelnde Therapeut während der von ihm geleiteten Sitzung selbst unter dem Einfluss von Psychedelika.
    Solche oder ähnliche Missbrauchsfälle dürfen aber nicht den Blick trüben, denn dem stehen viele gegenüber, die kompetent ausgebildet sind, sich selbst einer langjährigen Übungspraxis unterzogen haben und mit ihrem Wissen wertvolle Dienste leisten.

    Mit zwei Fragen werde ich mich zunächst beschäftigen: Wie kann man erkennen, ob jemand, der psychospirituelle Methoden anbietet, vertrauenswürdig ist? Mit welchen Mitteln wirkt ein spiritueller Meister?
    Grundsätzlich ist zu bedenken, dass verantwortungsvolle Begleiter keine schnellen Ergebnisse versprechen oder mit oberflächlichen Rezepten werben. Wer darüber hinaus seine eigenen Methoden benutzt, um andere schlechtzureden, verheißt nichts Gutes, denn viele Wege führen nach Rom und hilfreiche Begleiter gibt es in allen Richtungen. So sind auch die Ziele mystischer Wege weltweit relativ einheitlich: Ego-Abbau, Üben des Mitgefühls und Verbundenheit mit dem Universalen. Der Weg nach innen ist steinig, und wer das nicht vermittelt, ist ihn selbst nicht gegangen. Realistisch hingegen ist ein Angebot, das darauf verweist, innere Vorgänge gemeinsam zu erkunden, Hindernisse zu bewältigen und Anleitungen für Übungen zu geben.
    Ein aussagekräftiges Indiz für die Solidität ist auch die Art und Weise, wie mit Zweifeln, Kritik und Misstrauen, die zu jeder Praxis gehören, umgegangen wird. Wenn man dafür

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