Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
Bedürfnisbefriedigung ohne Sucht. Sinnlichkeit ist ein »Mit-allen-Sinnen-Wahrnehmen«, um herauszufinden, was mir guttut, und nicht einfach das tun, was mir vorübergehende Spannungsreduktion verschafft, aber danach ein Gefühl der Leere und eine Tendenz des »Immer-Mehr« zurücklässt. Disziplin wird so zum zielgerichteten Fokus eines übergeordneten Willens, wobei eigene Schwächen akzeptiert werden können, so dass sich kein destruktives Perfektionsideal aufbaut.
Autonomie und Abhängigkeit kommen also ins Gleichgewicht, indem ich mich möglichst von Fremdbestimmung löse und mir gleichzeitig bewusst bin, ohne das Größere nicht existieren zu können. Daraus erwächst eine egotransformierte Persönlichkeit mit beeindruckender Ausstrahlung, die dem universalen Selbst dient.
Bei dieser abenteuerlichen Reise zur Ganzheit können erfahrene Wegbegleiter so manche Klippe bewältigen helfen. Es gibt unterschiedlichste Angebote für Selbstverwirklichung und die Lösung psychospiritueller Probleme. Die Psychotherapie kann nunmehr schon auf eine längere Geschichte zurückblicken und wird auch an Universitäten gelehrt, so dass für den Schutz des Klienten bestimmte Standards herangezogen werden können.
Etwas schwieriger wird die Bewertung, wenn Psychotherapeuten spirituelle Begleitung andienen oder spirituelle Lehrer sich berufen fühlen, auf persönliche Probleme einzugehen. Auf der sicheren Seite ist man, wenn der Begleiter mit beiden Gebieten vertraut ist, durch eine psychotherapeutische und transpersonale Ausbildung sowie einen soliden langjährigen spirituellen Weg. Die transpersonale Psychologie und Psychotherapie versucht gerade, diesen Spagat zu bewältigen, weil sie herausgefunden hat, dass die Trennung zwischen emotionalen Problemen, persönlichen Wachstumspotenzialen und spirituellen Erfahrungen eher künstlicher Natur ist. Personen, die diese ganzheitliche Hilfestellung anbieten, werden im Folgenden psychospirituelle Begleiter genannt. Die Bedingungen und der Rahmen dieser Tätigkeit sind noch sehr jung und deshalb nicht zureichend abgesteckt, weswegen hier einige wichtige Kriterien dazu ausgeführt werden. Davon zu unterscheiden (teilweise mit Überschneidungen) sind spirituelle Lehrer und Meister, die eine bestimmte Tradition vertreten. Sie wirken kraft ihres eigenen spirituellen Weges, ihrer Berufung, Präsenz und Gnade.
Begleitung
Ein indisches Sprichwort besagt: »Wenn man in eine fremde Stadt kommt und einen bestimmten Ort sucht, kann man das auf zweierlei Weise tun: Man kann entweder Straße für Straße ablaufen, bis man dorthin kommt, oder man kann aber auch einen Einheimischen fragen, um sicherer ans Ziel zu gelangen.«
Auch wenn man einen bestimmten Beruf ausüben möchte, ist es jedem klar, dass zuvor eine Lehre absolviert werden muss. Wer krank ist, vertraut sich in der Regel den Fähigkeiten eines Arztes an. Wer sich seiner selbst bewusst werden und viel lernen möchte, braucht vorübergehend gute Wegbegleiter.
Mittlerweile ist es nicht mehr befremdlich, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, wenn die Ursachen des Leidens in seelischen Konflikten zu suchen sind. Vor nicht allzu langer Zeit war dieser Schritt noch verpönt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor dreißig Jahren ein Politiker seine Sitzungen nur in die späten Abendstunden legen wollte, um unerkannt zu bleiben. Die Menschen hatten damals Angst, als schwach oder verrückt gebrandmarkt zu werden. Doch man hat erkannt, dass es ohne neutrale Instanz fast unmöglich ist, unbewusste destruktive Motive aufzudecken, Schattenaspekte zu klären oder blinde Flecken ausfindig zu machen. Genauso kann für psychospirituelle Transformationsprozesse ein Spiegel, der mich auf Selbsttäuschungen aufmerksam macht, entscheidend für den inneren Fortschritt sein. So ist es notwendig, unterscheiden zu lernen, ob es sich bei einem Konflikt vorwiegend um enttäuschte Ego-Bedürfnisse oder um eine wahrhaftige Auseinandersetzung handelt. Auch das vielfältige Spektrum an möglichen außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen muss sorgfältig differenziert werden können. Jemand erlebte während einer sexuellen Begegnung am Meeresstrand eine tiefe Verbundenheit zur Natur. Danach las er tantrische Schriften und pries in großen Tönen seine plötzliche Gotteserfahrung. Flüchtige Einheitserfahrungen werden in solchen Fällen schnell als Erleuchtung interpretiert.
Vor allem aber bei Rückschritten, spirituellen Krisen und Ego-Tod-Erfahrungen sind
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