Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
Erkrankungen, also bei Menschen, die als schrankenlos egozentrisch beschrieben werden, weil sich alles nur um sie selbst drehen muss. Sie leiden an einer Selbstwertproblematik, die durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Bewunderung gekennzeichnet ist. Dabei bilden sich überwertige Fixierungen aus, die entweder durch Verwahrlosung, wenn die Bezugspersonen sich emotional kalt verhielten, oder durch Verwöhnung, wenn adäquate Frustrationen gefehlt haben (Wonnenarzissten), zustande kommen. Sie signalisieren hohe Defizite im Bereich von Achtung und Wertschätzung.
So entwickeln diese Menschen ein Gefühl der Grandiosität, beschäftigen sich überwiegend mit sich selbst, müssen stets bewundert werden, haben eine unrealistische Einschätzung von Risiken und Gefahren, sind auf andere Menschen unangemessen neidisch und müssen sie deshalb immer wieder entwerten. Sie fühlen sich innerlich leer und können sich schwer in andere hineinversetzen. Eine andere Person zu lieben würde bedeuten, sie zu schätzen, was aber bei solchen Menschen mit einem Gefühl der eigenen Erniedrigung verbunden ist. So wird der andere abgewertet und funktionalisiert. Die Beziehung kann nur so lange aufrechterhalten werden, wie die eigenen Wünsche befriedigt werden und der Beziehungspartner sich symbiotisch unterwirft und eigene Autonomieansprüche zurückstellt. Ist der andere wie eine Zitrone ausgequetscht, wird er fallengelassen. Moralische oder soziale Wertvorstellungen kommen nicht von innen, sondern werden nur deshalb berücksichtigt, weil man sich sonst vielleicht blamieren könnte.
Wie aus diesen Schilderungen ersichtlich wird, würden meditative Übungen nicht ausreichen, um Heilung zu finden. Meistens wird sogar das pathologische Material auf die Spiritualität verlagert, so dass die zugrundeliegenden Ängste, Bedürfnisse und Defizite folgende Komplikationen verursachen können:
Auf dem spirituellen Weg wird vor allem Erlösung von den persönlichen Problemen gesucht. Durch die Neigung zur Spaltung von Gut und Böse kann es zu missionarischem Verhalten kommen. Andersdenkende werden dann dämonisiert oder als vom Teufel besessen charakterisiert. Die eigentümliche Leere, die durch Meditation als Phänomen auftritt, kann paranoide Fluchttendenzen hervorrufen. Die Abwehrmechanismen »Idealisierung« und »Entwertung« können zur Abhängigkeit von spirituellen Lehrern führen. Damit werden eigene Bewertungen außer Kraft gesetzt und Entscheidungen durch kindliche Anpassungsstrategien unreflektiert in den Alltag übernommen. Das hat so manchen spirituell Suchenden in den finanziellen Ruin getrieben. Hingabe und Demut, zentrale Merkmale spiritueller Praxis, können auf einem pathologischen Hintergrund in Selbstverleugnung und Selbstdestruktivität ausarten. Wenn die Ich-Grenzen durch die Übungspraxis schrittweise transzendiert werden, kann das zu emotionaler Labilität führen. Insbesondere bei sogenannten Ego-Tod-Phänomenen, die weiter hinten ausführlicher besprochen werden, können mangelnde Selbstregulierungsstrategien Panikattacken hervorrufen.
Wenn begleitende psychotherapeutische Maßnahmen zur Sicherung der inneren Verarbeitungskapazität indiziert sind, sollte der Therapeut spirituellen Wegen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt sein. Seelische Störungen sind nicht, wie es häufig vertreten wird, Kontraindikationen für spirituelle Übungen. Ganz im Gegenteil, denn durch sie können unschätzbare kurative Ressourcen wirksam werden. Zunächst das Vertrauen in eine innere Weisheit, durch das Schicksalsschläge in der Vergangenheit besser akzeptiert werden können. Nicht zu unterschätzen ist auch die stabilisierende Wirkung, sich in einen größeren Zusammenhang eingebettet zu fühlen. Dies führt zu einer Entspannung, die wiederum die Anwendung konfrontativer Aufarbeitungsstrategien in der Psychotherapie leichter macht. Dadurch kann die Integration kränkender Lebenserfahrungen schneller und dynamischer erfolgen.
Überdies führen spirituelle Übungen, wie die Meditation, zu einer umfassenden Zentrierung, aus der wieder regulative Strategien erwachsen können. Achtsamkeitsübungen, wie sie in allen spirituellen Richtungen gepflegt werden, stärken die Fähigkeit, andere zu verstehen (Empathie), und erweitern die Einsicht in die Prozesse anderer, wodurch ganz generell verstrickende Inszenierungen und Manipulationsverhalten reduziert werden. Die Neigung, sich nur als Opfer zu sehen und dementsprechend zu agieren,
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