Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
wird abgebaut und selbstverantwortliches Verhalten gefördert. So treten auch äußerliche Verhaltensnormen zugunsten der inneren Stimme mehr in den Hintergrund. Allmählich findet ein struktureller Umbau in die Breite und in die Tiefe statt. Durch die Ausdehnung der Identifikationsmöglichkeiten und Weitung der inneren Koordinaten werden die Selbst- und Fremdbilder flexibler sowie die Erfassungskapazitäten breiter. Auch wenn keine frühen Schädigungen vorliegen, ist die beständige Kapazitätserweiterung der inneren Strukturen von großer Tragweite, weil spirituelle Erfahrungen, die den bisherigen Rahmen sprengen, nutzbringender verarbeitet werden können. Die Übungsbereitschaft, die durch die Stärkung der Willenskraft gefördert wird, trägt dann weitere Früchte.
Das Ego
Im Ego sehen spirituelle Wege ein großes Hindernis, das es zu überwinden gilt, will man innere Freiheit gewinnen. Nur wer bereit ist, das Ego abzubauen, kommt der Gnade göttlichen Seins, das in unserer Wesensnatur erstrahlt, näher. Für jene, die sich darauf einlassen wollen, ist es unentbehrlich, herauszufinden, in welcher Form dieser innere Prozess unterstützt werden kann.
Um sich auf diesen Prozess konsequent einlassen zu können, ist eine genaue Kenntnis des Ego notwendig, das von den Ich-Funktionen, die die inneren Organisations- und Regulationsprozesse steuern, zu unterscheiden ist. So haben wir herausgefunden, dass ein starkes Ich dringend erforderlich ist, um spirituelle Wachstumsprozesse zu unterstützen, erweiternde Erlebnisse nachhaltig zu integrieren und Lebensstiländerungen dauerhaft zu bewirken.
Dabei wurde angedeutet, dass bei strukturellen Ich-Störungen, die zu krankheitswertigem egozentrischem Verhalten führen, immer auch psychotherapeutische Maßnahmen angeboten werden sollen. Der Schweregrad von Ego-Phänomenen entscheidet darüber, ob sie alleine durch spirituelle Übungen bewältigt werden können. Um die richtige Vorgehensweise herauszufinden, ist neben einigen maßgeblichen Verhaltenseigenschaften immer die Bereitschaft des Schülers, aufrichtig sich selbst zu erforschen, ausschlaggebend. Wer erfolgreich an seinen Ego-Verstrickungen arbeiten möchte, muss bereit sein, sich selbst radikal zu hinterfragen.
Nähern wir uns einer ersten allgemeinen Beschreibung des Ego an, dann sind es vor allem Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die mir und anderen Schaden zufügen. Wenn ich mir wünsche, dass ein Kollege bei einem Projekt Schiffbruch erleiden soll, dann wirken diese Gedanken schädigend auf mich selbst. Ich spüre inneren Druck, werde aufgewühlt und unzufrieden. Verstärken sich dann noch destruktive Emotionen wie Hass, Verachtung, Neid, Stolz oder Gier, nimmt die Unruhe weiter zu. Einsetzende Schuldgefühle, Selbstabwertung und Selbsthass müssen dann unterdrückt werden und tragen zu einer Verschlimmerung meines Zustandes bei. Wenn ich über andere schädigende Gedanken hege, verletze ich immer auch mich selbst.
Durch einige wenige und sehr einfache Fragen, für die es sich lohnt, ein wenig Zeit aufzuwenden, können wir der Spur unseres Ego folgen:
Löst der Erfolg eines anderen in mir Neid aus, oder erhöhen schlechte Nachrichten über andere mein Selbstwertgefühl? Manipuliere und kontrolliere ich Beziehungen, um Bestätigung zu erlangen? Reagiere ich gekränkt oder beleidigt, wenn mich jemand sachlich kritisiert? Lehne ich andere ab, wenn sie nicht so sind, wie ich sie gerne hätte? Fühle ich mich unwohl, wenn Situationen auftreten, die meinen Vorstellungen widersprechen? Bin ich vorwiegend misstrauisch anderen oder dem Leben gegenüber? Habe ich Schwierigkeiten, anderen oder mir gegenüber Wertschätzung zu empfinden?
Gerne können Sie auch noch eigene Fragen, von denen Sie glauben, dass sie in diese Kategorie gehören, mit hinzufügen. Halten Sie dann bitte einen Moment inne und lassen Sie die Fragen auf sich wirken. Wichtig bei diesem Schritt ist, sich selbst gegenüber Liebe und Güte zum Ausdruck zu bringen. Wenn Sie Antworten gefunden haben, können Sie sie wieder notieren.
In Situationen, in denen wir vom Ego dominiert werden, erleben wir uns verbissen, gierig, eifersüchtig, unversöhnlich, hart und abwertend. Wir hören nicht zu und halten gerne an unseren Vorurteilen fest. Äußeres Ansehen, Prestige und materielle Werte werden überbetont, um sich anderen gegenüber überlegen zu fühlen. Diese Haltung ist unumstößlich in unserer Gesellschaft verankert. Menschen mit spärlichem
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