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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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kennenlernt und sie in einem geschützten Rahmen zum Ausdruck bringen kann. Denn erst, was in seinem Sosein zugelassen wird, kann vollständig losgelassen oder transformiert werden. Ganz besonders gilt das für affektive Zustände, die das Ego begleiten. Bevor diese aufgelöst werden können, müssen sie erst vergegenwärtigt und akzeptiert werden. Dann sollte man sich auch die Folgen ausmalen, wenn man sie nicht reguliert, sondern ausagiert. Wenn man die Ursachen und Umstände ihres Aufkommens erforscht, kann man leichter im entscheidenden Moment innehalten, loslassen und die Kettenreaktion unterbrechen.
    In diesem Sinne wird in den nächsten Abschnitten die persönliche Praxis in den Vordergrund rücken. In den dargebotenen Übungen wird öfter vorgeschlagen, das Herz zu öffnen, tiefer zu atmen oder sich leer zu machen. Das Herz repräsentiert Güte, Mitgefühl und Liebe. Die Entwicklung dieser menschlichen Qualitäten ist der Kern gängiger spiritueller Praxis. Das bewusste Atmen trägt genauso wie die Bewusstseinsentleerung zu einer inneren Weitung bei. So können intuitive Einsichten gefördert und strukturelle Transformationen erleichtert werden. Ego-Transformation öffnet die Tür zum Absoluten, einem Raum von Freiheit und universeller Liebe, zu dem der Mensch sich eingeladen fühlen kann. Wenn manche Übungen auf den ersten Blick etwas radikal wirken, dann soll damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass diese Eigenschaften grundsätzlich immer vorhanden sind. Wenn jedoch der kritische Bezugspunkt klarwird, können die eigenen Tendenzen, die in diese Richtung gehen, besser aufgespürt werden.
    Für die Durchführung der Aufgaben ist es empfehlenswert, sich aufmerksam vorzubereiten und einen schönen Platz dafür einzurichten, um Öffnung und Zentrierung zu unterstützen. Der Ort, an dem Sie regelmäßig meditieren, würde sich sicher auch gut dafür eignen, weil er Klarheit und Verbindlichkeit signalisiert. Legen Sie sich auch Papier und Stifte bereit. Sie sollten sich genügend Zeit nehmen, um sich ungestört auf das jeweilige Thema konzentrieren zu können. Eine angenehme und aufrechte Körperhaltung kann hilfreich sein. Wenn Sie auf einem Stuhl sitzen, wäre es günstig, beide Füße flach auf den Boden zu stellen. Der Atem sollte tief und ruhig werden können. Am Anfang können sie durchaus einige Male bewusst tief ein- und ausatmen, um sich zu zentrieren. Wenn Sie registrieren, dass sich Ihre Innenräume freier und tiefer anfühlen, dann beobachten Sie die gerade auftauchenden Gedanken und Empfindungen und lassen sie los – bei jedem Ausatmen etwas mehr, bis Sie das Gefühl haben, dass auch Ihr Bewusstseinsraum leerer und offener ist.
    Dieser Abschnitt soll Empfehlungen geben, wie die Transformation des Ego im Alltag umgesetzt werden kann. Dazu werden charakteristische Eigenschaften zu Ego-Komplexen zusammengefasst. Da der individuellen Vielgestaltigkeit des Ego wohl keine Grenzen gesetzt sind, können die Komplexe sicher noch feiner differenziert und die dazugehörigen Merkmale erweitert werden. Manche Ego-Aspekte kommen auch in mehreren Komplexen vor. Der Begriff Komplex verweist darauf, dass es sich um affektiv besetzte Persönlichkeitsanteile handelt, die teilweise auch unbewusst wirksam sein können. Das ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit und der Herangehensweise von Bedeutung.
    Egoistische Bedürfnisse kaschieren häufig essenzielle Bedürfnisse, also unverformte Anliegen, die nicht durch musterhafte Prägungen verdeckt oder zweckentfremdet wurden. Wenn wir herausfinden, welche eigentlichen Bedürfnisse sich hinter egozentrischen Lebensstilen verbergen, dann können Veränderungsprozesse tiefer greifen. Die Befriedigung von Ego-Bedürfnissen führt nämlich nicht wirklich zu innerer Ruhe und Zufriedenheit, sondern steigert die Spannung, weil die essenziellen Bedürfnisse davon nicht gestillt werden können. Essenzielle, eigentliche oder unverfälschte Bedürfnisse entspringen der Wesensnatur und fördern Wachstum, Differenzierung und Kooperation.
    Der Mensch sucht von Natur aus nach Glück, Wertschätzung, Liebe, Lebensbejahung, Sicherheit, Gemeinschaft und Selbstverwirklichung – er sucht aber auch nach dem Absoluten, Wahren und Schönen. Insofern ist auch das Vermeiden von Leid und Schmerz sowie die Bewältigung von Angst und Unsicherheit von hoher Bedeutung. Da Inszenierungen des Ego diese Grundanliegen verschleiern und stattdessen Unruhe stiften, werden die wirklichen Ziele aus den

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