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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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transbiographische Existenzformen oder prägende Botschaften.
    Pränatale Phase und Geburt
    Für die pränatale Psychologie nimmt das Abenteuer Mensch mit der Befruchtung der Eizelle seinen Anfang. Aus einem winzigen Wirkzentrum, das vorerst überwiegend von biologischen Programmen gesteuert wird, entwickelt sich in kürzester Zeit ein erlebnisfähiges Wesen. Es ist von Beginn an, geschützt und versorgt durch den mütterlichen Leibraum, mit der Lebenswelt aufs innigste verbunden. Der Embryo entwickelt sich nicht zur Welt hin, sondern ist immer schon in ihr. Diese unauflösbare Verwobenheit, ein Ort uranfänglicher Verbundenheit, läuft allen Einflüssen voraus. Wenn man in therapeutischen Prozessen psychisch kranke Klienten auffordert, tiefer nach innen zu spüren, fühlen sie sich überraschenderweise oftmals sicher und geborgen oder sehen kraftspendende Bilder, wie ein ruhiges Meer oder eine Sonne. Es ist höchst erstaunlich, dass sie trotz massiver Verletzungen in der Kindheit von einer inneren Schicht sprechen, die davon nicht beschädigt scheint. Später, wenn der universelle Pol des Selbst in den Mittelpunkt rückt, wird angenommen, dass das entstehende Leben neben dieser heilen Einheit mit der Welt noch von einer transzendentalen Kraft getragen ist.
    Die embryonale Nestwärme kann schon früh von heftigen Umwelteinflüssen gestört werden. So ist es nicht belanglos, ob ein Kind erwünscht ist oder nicht. Sitzungen mit veränderten Bewusstseinszuständen zeigen, dass lange andauernde Hassgefühle, die infolge einer unwillkommenen Schwangerschaft auftreten, zu so starken atmosphärischen Spannungen führen können, dass sie das Ungeborene erschüttern. Spätere lebensverneinende Einstellungen sowie das Gefühl, kein Lebensrecht zu haben, können daraus hervorgehen. Genauso werden liebevolle und angenehme Milieus eine wohlige Grundstimmung vermitteln, die etwa zu folgender Aussage führen kann: »Ich fühle mich wohlig, getragen und mit dem Leben verbunden.«
    Nachträgliche Beschreibungen von möglichen intrauterinen Konflikten können natürlich nicht präzise die Wirklichkeit abbilden, da sie mit den kognitiven Werkzeugen des Erwachsenenalters gedeutet werden. Trotzdem ist es erstaunlich, in wie vielen Fällen das rekonstruierte Material nahe am tatsächlichen Erleben der Mutter oder naher Angehöriger angesiedelt ist.
    Es ist faszinierend, welche großen Schritte in kurzer Zeit im Mutterleib erfolgen. Nach acht Wochen sind die inneren und äußeren Organe angelegt. Dass dies nicht nur ein physiologisches Geschehen, sondern auch ein seelischer Vorgang ist, scheint unbestritten.
    So erlebte ein Mann im Holotropen Atmen in dramatischer Weise seine eigene Herzbildung nach. Danach fühlte er sich von zärtlichen Gefühlen durchströmt. So verstand er, weshalb in vielen Traditionen das Herz als symbolischer Ort der Liebe betrachtet wird.
    Wenngleich das Wissen davon, wer ich bin und was mit mir geschieht, noch im Dunklen bleibt, erlebt der Embryo schon elementare Zustände von Spannung und Entspannung, Ausdehnung und Kontraktion. Die Befindlichkeiten, Bewegungen und Geräusche der Umgebung berühren diffus, gedämpft durch den Schutz der Gebärmutter, das subjektive Erlebnis- und Energiefeld des Embryos. Vibrationen und Stöße von Energie lösen Antworten aus.
    Ab dem vierten oder fünften Schwangerschaftsmonat verfügt der Fötus bereits über einfach strukturierte Erlebnisschemata, aus denen sich lockere Selbst- und Umweltumrisse herauskristallisieren könnten. Das aufkeimende Selbst, das sich selbst noch nicht erkennen kann, wird durch adaptive Prozesse weiter differenziert. Es ist reagibel und formbar.
    Feinfühlige mütterliche Beziehungsgebärden können die organisierenden Impulse des Ungeborenen günstig beeinflussen. Übliche Kommunikationsstile werdender Mütter legen nahe, dass dem Kinde ein eigenständiges Selbst schon zugeschrieben wird. Dies umso mehr, als das kleine Lebewesen in der heutigen Zeit durch Ultraschallaufnahmen in einem sehr frühen Stadium bildlich dargestellt werden kann. Hat sich beispielsweise ein Elternpaar schon auf einen Namen geeinigt, wird dieser auch immer wieder genannt. Wenn dazu noch der Bauch gestreichelt wird und angenehme Töne gesummt werden, verankern sich erste stabilisierende Identitätsmuster.
    Nach der Geburt, wenn die Bildung des bewussten Selbst rasch fortschreitet, werden diese Dialoge lebensnotwendig. Kinder, mit denen nicht kommuniziert wird,

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