Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
verkümmern.
Schwere körperliche Krankheiten, Süchte oder unangemessene Tätigkeiten wie auch psychische Belastungen, akute Krisen oder chronische Konflikte können das intrauterine Gleichgewicht empfindlich stören. Dies gilt ganz besonders, wenn es während dieser Zeit zu Scheidungen, Todesfällen oder Gewalterfahrungen kommt. Traumatisierungen sind umso folgenschwerer einerseits, je wehrloser der Betroffene ist, und andererseits, je differenzierter die Erlebnisfähigkeit ist. Insofern können wir davon ausgehen, dass negative Vorkommnisse in den letzten Schwangerschaftswochen äußerst gravierende Spuren hinterlassen können.
So werden etwa Tritte in den Bauch der Mutter während der Schwangerschaft als lebensbedrohliche Erschütterungen wahrgenommen. Diese werden dann, um die weitere Entwicklung nicht zu gefährden, aus dem Erleben ausgesondert. Dieser Schutzmechanismus der Abspaltung kann zu späteren seelischen Einschränkungen führen. Unmotivierte Ängste, Existenzsorgen oder ein diffuses Unbehagen können darin begründet liegen.
Ein massives Bedrohungspotenzial haben missglückte Abtreibungsversuche, wie wir aus Holotropen Atemsitzungen wissen. Klienten in veränderten Bewusstseinszuständen berichteten von krassen Szenen, in denen es zu Todesängsten, bildhaften Gewaltszenarien und körperlichen Lähmungen kam. In der Abtreibungsdebatte wurde lange Zeit die These, dass der Mensch immer schon Mensch ist und nicht erst durch die Geburt zum Menschen wird, zurückgewiesen, weil sie als ideologische Speerspitze des Konservatismus galt.
Zärtliche Berührungen, anmutige klassische Musik oder harmonische Bewegungen im Freien können das Ungeborene angenehm stimulieren sowie Sicherheit und Freude vermitteln. So kann die Zuneigung Erwachsener zu bestimmten Melodien durchaus mit pränatalen Erinnerungen zusammenhängen. Da das korrespondierende Wirk- und Erlebnisfeld des Fötus noch keine expliziten Gedächtnisformen ausgebildet hat und trotzdem Erinnerungsspuren möglich scheinen, kann vermutlich von einer impliziten, zellulären oder morphogenetischen Speicherung ausgegangen werden.
Vor allem veränderte Bewusstseinszustände können zu diesen Ebenen vordringen. Eindrucksvoll und realitätsnah werden in diesem Zusammenhang Geburtssequenzen geschildert, wie der folgende Bericht einer Psychologin zeigt. Lassen Sie sich einfach von der Erfahrung anmuten, ohne noch das Gelesene zu kommentieren:
»Es ist heiß und eng und unbehaglich. Ich bin gefangen, in mir und überhaupt. So heiß und so eng. Ich spüre einen Druck auf meinem Kopf, und mein Körper reagiert automatisch. Er grunzt und tobt und presst auf diesen Druck. Der Druck wird stärker, und mein Körper presst stärker, und die Kraft kommt, und es presst mich; ich presse mich, Druck und Pressen und Kraft und Zorn und Gewalt und kein Halten mehr, kein Denken, Gewalt: Ich muss hier raus, hier raus, raus … Draußen Zorn, Gerüche, Schleim, viel Schleim in Mund und Nase, Schleim, Gerüche, Licht, Zorn.
Die Unterlage ist hart, es kratzt, ich liege auf dem Rücken und schaue ins Licht, schaue in ein Gesicht. Ich werde gewiegt, ich bin immer noch zornig, ich werde getröstet, geschneuzt, mein Zorn schmilzt dahin, ich bin müde und gleichzeitig empört ob all der Unpässlichkeiten, ich bin müde, es ist angenehm, es ist tröstlich.«
Danach sagt sie:
»Das war meine Geburt, mein Gott, wie realistisch … Wie konnte das passieren, wieso mir? Ich, die immer die Kontrolle über meinen Körper hatte, wie konnte mein Körper Dinge tun, die ich nicht befohlen habe? Wie erstaunlich.«
Eine Geburt ist ein natürlicher Prozess, ein intensives Durchgangsstadium im Sinne einer Reifungskrise. Von einem Geburtstrauma kann erst dann gesprochen werden, wenn schwerere Komplikationen auftreten. Wenn die Geburt sich über zwölf bis vierzehn Stunden hinzieht und das Baby blau zur Welt kommt, können Eindrücke, fast erstickt oder eingeschlossen zu sein, zu Ängsten vor engen Räumen oder späteren Gefühlen der Enge, insbesondere in der Halsgegend, führen.
Das Wiedererleben von Geburtsprozessen kann auf das Leben eine sehr positive Wirkung haben, weil beklemmende Ängste, die das perinatale Geschehen begleiten können, abgebaut werden. Die Auseinandersetzung mit Geburt und Tod, die archetypisch Wandlung und Durchgang symbolisieren, hat generell für den Alltag eine befreiende und Energie spendende Wirkung, so die Ansicht vieler, die dies in veränderten
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