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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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Kundalini-Arbeit bezeichnet hat, schilderte eine Seminarteilnehmerin ihre Form der Erweckung so: »Anfangs spüre ich meinen Schädelknochen sehr zentral. Vor allem spüre ich die Stelle, die schmerzt, wenn ich, was seit langer Zeit kaum noch vorkommt, Migräne habe. Ich betaste meinen Schädelknochen, spüre ihn ganz bewusst und nehme die leichten Unebenheiten des Knochens wahr. Die Stelle, die schmerzt, äußert sich bildlich wie ein Spalt im Schädelknochen. Dieser Spalt hat unregelmäßige Ränder. Dann kommt mein Körper in Bewegung. Orgiastische Empfindungen und Gefühle stellen sich ein. Lachen; tiefes, befreiendes Lachen öffnet meinen Brustraum, weitet den Hals und entspannt das Zwerchfell. Dann sehe ich eine halbrunde, moosige, total ebene Wiese vor mir, eingefasst von Gebirgen. Am Horizont steigt in Wellenbewegungen regenbogenfarbenes Licht herauf. Ich spüre mich auf der Matte liegen, und zwar so, als läge ich auf zwei großen Händen, die zu einer Schale geformt sind. Von oben kommt helles, weißes, sehr starkes Licht. Ein Lichtkegel steht direkt über mir. Ursprung dieses Lichtes ist das Auge Gottes – das Wesen allen Anfangs.«

    Wenn die Kundalini erwacht, wird die innere Führung aktiv, die den Menschen von der Zersplitterung zur Ganzheit, von der Dunkelheit zum Licht führen möchte. Sie nimmt diesen Auftrag sehr genau und mit großer Dynamik auf, denn der Schüler muss für die Entfaltung des All-Einen gereinigt, geweitet und frei werden. Spannungen werden demnach verstärkt, um sie ganz aufzulösen, latente Krankheiten werden akut, um chronische Belastungen zu reduzieren, und konfliktreiche soziale Situationen konstellieren sich, um Schattenaspekte, Ego und Karma abzubauen. So ist es keineswegs verwunderlich, dass heftige Erschütterungen und außergewöhnliche Phänomene diesen Prozess begleiten. Es kann zu autonomen Körperreaktionen, wie Zuckungen, Zittern, Schütteln, oder zu unmotivierten Weinkrämpfen kommen. Auch werden ungewohnte Bewegungen ausgelöst, wenn beispielsweise der Arm nach oben geschleudert wird oder der Eindruck entsteht, als würde der Kopf wie von einer unsichtbaren Hand nach hinten gezogen. Veränderte Atemmuster, etwa Hyperventilieren, reichern Energie an und reinigen die subtilen Kanäle. Dadurch können abwechselnd Hitze- und Kälteempfindungen auftreten und den Eindruck vermitteln, über gigantische Kraftreserven zu verfügen. Geistliche Gesänge jeglicher Art, wie etwa Mantren oder christliche Choräle, vibrierende Summtöne oder fremde Laute, können wie von selbst ausgestoßen werden.
    Wenn sich die Kundalini bewegt, wird gereinigt, gelöst und geöffnet. Da diese Deprogrammierungs- und Transformationsprozesse sich selbst organisieren, greift man am besten nicht ein, sondern lässt einfach zu, was geschieht. Wirklich problematisch wird es erst dann, wenn man versucht, diese Befreiungs- und Öffnungsbestrebungen zu bremsen. In erster Linie geht es darum, für die Natur Gottes transparent und durchlässig zu werden. Dazu muss erst Ballast abgeworfen und müssen Prägungen beseitigt werden. Das bisherige Koordinatensystem verändert sich dermaßen, dass man eine gewisse Zeit braucht, um die innere Stabilität wiederzugewinnen.
    Auch wenn vor möglichen Komplikationen im Zusammenhang mit Kundalini-Phänomenen gewarnt wird, so ist doch unmissverständlich festzustellen: Glaubt man an die innere Weisheit des universalen Selbst, dann ist ihre Aktualisierung grundsätzlich zu begrüßen. Vorübergehende Schwierigkeiten sind eher Zeichen von Durchgangskrisen, wie sie auch in anderen Zusammenhängen zu beobachten sind. In der Psychotherapie ist es ganz selbstverständlich, dass sich anfangs das Krankheitsgeschehen intensiviert, bevor die heilsame Wirkung eintritt. Man sollte sich diesem dynamischen Geschehen nicht in den Weg stellen, sondern mit ihm gehen. Bei heftigen Affekten ist es sinnvoll, diese eher zu beobachten, als sie auszuagieren. Wenn spirituell erfahrene Psychotherapeuten zur Seite stehen, können nicht aufzulösende emotionale Muster in einem geschützten Rahmen bearbeitet werden, um die dahinterliegenden Probleme zu verstehen und zu lösen. Dabei sollte man sich aber aller Wertungen enthalten, wenn beispielsweise unerwartet extreme Eifersuchtsgefühle oder sexuelle Bilder aufkommen. Es sind unerlöste Aspekte der Seele, die sich zeigen müssen, um sich verabschieden zu können. Zu vermeiden sind in jedem Falle Ablenkungsmanöver oder Suchtmittel, da sie

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