Vom Geist der Dorsai
Türen öffnete. Sie stieß auf zwei weitere Gebäude, in denen einer der Erwachsenen kranke Soldaten bewachte. Sie hatte fast den Parkplatz erreicht, als sie eine Gestalt entdeckte, die an der Außenwand einer Baracke kauerte.
„Reiko!“ rief sie und kniete sich unbeholfen neben der anderen Frau nieder.
„Halten Sie … Mene auf.“ Reiko hatte kaum noch die Kraft zu flüstern. Sie blutete stark aus einer Wunde direkt oberhalb des Gürtels ihrer Überjacke. „Mene hat den … Verstand verloren.“
„Schon gut“, sagte Amanda. „Ich kümmere mich darum. Und Sie bleiben inzwischen ganz ruhig liegen.“
Sie kämpfte sich in die Höhe und ging weiter. Unmittelbar vor ihr stand das nächste Gebäude. Sie öffnete die Tür und entdeckte Mene, die mit ihrer Ergschleuder ein weiteres Zimmer voller kranker und sterbender Soldaten in Schach hielt. Ihr Gesicht war kalkweiß und völlig ausdruckslos. Ihre Augen starrten trüb und matt, und ihr Finger zitterte dicht über dem Feuerknopf der Waffe. Die Blicke aller Männer in diesem Raum klebten an ihren Zügen, und niemand wagte es, auch nur laut zu atmen.
„Mene“, sagte Amanda weich. Mene wandte ihren Kopf um einige Zentimeter, um Amanda kurz anzusehen, und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf die Soldaten.
„Mene …“ wiederholte Amanda sanft. „Es ist so gut wie vorbei. Verletzen Sie jetzt niemanden mehr. Es ist praktisch ausgestanden. Bewachen Sie sie nur noch eine Weile. Das ist alles – halten Sie sie nur noch ein wenig hier fest.“
Mene gab keine Antwort.
„Verstehen Sie mich?“
Mene nickte ruckartig und behielt die Männer vor ihr im Auge.
„Ich bin bald zurück“, sagte Amanda.
Sie ging hinaus. Die Welt um sie herum wirkte nun noch traumartiger, und sie hatte das Gefühl, ihre Beine würden mit jedem Schritt immer steifer und empfindungsloser. Doch das war nicht weiter von Bedeutung. Irgend etwas an der Gesamtsituation war ganz und gar nicht in Ordnung.
Irgend etwas war völlig verkehrt. Nur noch zwei weitere Hütten trennten sie von dem Parkplatz, wo der Konvoi gerade entladen worden war. Und es war ziemlich ausgeschlossen, daß sich in diesen beiden Gebäuden sowohl der ganze Rest der ursprünglichen Eskorte als auch die Soldaten des Konvois selbst aufhielten. Es erschien ihr auch unwahrscheinlich, daß sich ausgerechnet in diesen beiden Hütten die zwei oder drei anderen Erwachsenen ihrer Gruppe befanden. Es spielte keine Rolle, was Arvid ihr versichert hatte. Irgend etwas war schiefgegangen – sie spürte es einer kalten Last in ihrer Brust gleich, unterhalb der Schwäche und Unwirklichkeit, die ihre Verwundung induzierte.
Sie versuchte, ihre benommenen Gedanken zu konzentrieren. Sie konnte davon ausgehen, daß Arvid und Bill mit ihrer Gruppe bereits das Haus unter Kontrolle gebracht hatten. Wenn sie sich nun ohne weitere Überprüfungen dorthin zurückzog und Hilfe holte … ihr Kopf wurde ein wenig klarer. Ein solches Verhalten wäre der Gipfel der Dummheit. Selbst wenn Arvid und Bill Männer erübrigen konnten, die mit ihr hierher zurückkehrten – das Ersuchen um Beistand würde kostbare Zeit verschwenden, Zeit, die ihr vielleicht gar nicht zur Verfügung stand.
Sie faßte ihre Schrotflinte fester, die nun zu einem unerträglich schweren Gewicht in ihren Händen geworden war, und setzte sich um die gewölbte Außenwand einer der Hütten herum in Bewegung.
Vielleicht war zum größten Teil jene traumartige Benommenheit daran schuld, die ihre Gedanken nun träge dahinfließen ließ – jedenfalls hatte sie den Eindruck, als gäbe es überhaupt keine Vorwarnung. Plötzlich befand sie sich inmitten einer dichtgeschlossenen Phalanx von Fahrzeugen. Die vorderen waren bereits mit bewaffneten und wachsam aussehenden Soldaten besetzt, und die anderen Uniformierten stiegen gerade in die weiter hinten geparkten ein. Doch wenn ihr Auftauchen mitten unter ihnen für sie selbst völlig überraschend gekommen war, so traf das auf diese Männer offenbar im gleichen Maße zu.
Sie bemerkte von einer Sekunde zur anderen, daß alle Bewegungen um sie herum einfroren. Soldaten erstarrten beim Einsteigen in ihre Fahrzeuge. Ihre Blicke klebten an Amanda.
Ihre Befürchtungen waren also ganz offensichtlich gerechtfertigt gewesen. Bei dem scheinbaren Austausch von gesunden Soldaten durch kranke hatte es sich um eine Falle gehandelt. Und diese Männer, denen sie nun gegenüberstand, trafen gerade die letzten Vorbereitungen für einen
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