Vom Geist der Dorsai
seine erste Frage hatte unmittelbar darauf eine zweite in seinen Gedanken entstehen lassen.
„Und wie ist diese andere Sache bewerkstelligt worden?“ fragte er. „Dieser Trick der Koalitionstruppen, ein Kontingent gesunder und einsatzfähiger Soldaten oben in Foralie stationiert zu haben, obwohl es doch den Anschein hatte, sie seien gegen kranke ausgetauscht und ins Lager außerhalb der Stadt zurückgebracht worden? Woher kamen sie, diese bei den Fahrzeugen wartenden und zum Kampfbereiten Soldaten, auf die Amanda stieß?“
„Sie wissen ja, daß der Truppenarzt am Abend zuvor Dow deCastries anrief“, entgegnete die Amanda, der Hal gegenübersaß. „Er war ein hierher versetzter Beamter, ein Befehlsempfänger, und er wußte, daß dies auch auf General Amorine zutraf. Außerdem war auch Amorine infolge der Nickelkarbonyl-Dämpfe erkrankt. Wenn er seine Vermutungen Amorine vortrug, darüber war sich der Truppenarzt klar, dann mochte das nur die Folge haben, daß Amorine Ekram verhaften ließ und versuchte, gewaltsam eine Antwort aus ihm herauszuholen – und dieser Truppenarzt wußte nur zu genau, was es für ihn bedeuten würde, sich ganz allein um so viele Kranke und Sterbende kümmern zu müssen. Deshalb überging er Amorine und wandte sich statt dessen direkt an Dow.“
„Ich verstehe nicht ganz, was das damit zu tun hat …“ Hal runzelte die Stirn.
„Dow hatte zu jener Zeit auch Berichte aus anderen Regionen erhalten. Bei seiner Besatzungs-Streitmacht gingen an tausend verschiedenen Orten tausend verschiedene Dinge schief. Und abgesehen von Cletus war er der klügste Kopf auf dem ganzen Planeten.“ Sie hielt kurz inne und sah ihn an. „Sie dürfen Dows damalige Kombinationsgabe nicht unterschätzen.“
„Das wollte ich damit auch nicht andeuten.“
„Was er feststellte“, fuhr Amanda fort, „war folgendes: Die von ihm initiierte Besetzung Dorsais war praktisch gesehen ein Fehlschlag. Aber mit etwas Glück war er nach wie vor in der Lage, Cletus in die Hand zu bekommen und ihn als Gefangenen mit sich zu nehmen – oder ihn schlimmstenfalls zu eliminieren. Das war möglich, wenn er nur in diesem einen Distrikt die militärische Kontrolle behielt.“
„Und er rechnete damit, daß, sobald Cletus nach Foralie gebracht worden war, die Heimstatt von Einsatzgruppen der lokalen Bevölkerung in dem Versuch angegriffen würde, ihn zu befreien?“
„Natürlich.“ Amanda zuckte mit den Achseln. „Das lag auf der Hand – so wie es die erste Amanda Ramon gegenüber deutlich machte, als der Teamsenior sich fragte, ob Cletus seine während des Gesprächs auf dem Landeplatz gefallenen Worte vielleicht doch ernst gemeint hatte – daß sie nichts gegen die Soldaten unternehmen sollten. Der Distrikt mußte den Angriff so oder so durchführen. Daher gab Dow deCastries die Anweisung, an jenem Morgen eine Patrouille mit ausschließlich kranken Soldaten heraufzuschicken, und die gesunden kehrten ins Lager nahe der Stadt zurück. So weit, so gut. Aber die gleichen gesunden Soldaten – die jetzt nur vorgaben, krank zu sein –, kehrten später wieder nach Foralie zurück, als die Begleittruppen des Konvois, der Cletus zur Heimstatt eskortierte.“
„Aha“, machte Hal und nickte. „Wie lange hat die erste Amanda eigentlich gelebt?“
„Sie starb im Alter von hundertundacht Jahren.“
„Und hat sie noch die Geburt einer zweiten Amanda erlebt?“
„Nein“, antwortete sie. „Es dauerte fast hundert Jahre, bevor es eine zweite Amanda gab.“
Hal lächelte.
„Und wer war so weise, jenem Mädchen den Namen Amanda zu geben?“
„Niemand“, erwiderte sie. „Es hieß Elaine. Aber als es sechs Jahre alt war, wurde es bereits von allen die zweite Amanda genannt Man könnte sagen, es gab sich diesen Namen selbst.“
Erneut spürte Hal, wie in einem entlegenen Winkel seines Bewußtseins eine sonderbare Erregung die Aufmerksamkeit des Teils seines Selbst weckte, der sich über die Existenz Des Ziels klar war.
„Erzählen Sie mir etwas über die zweite Amanda“, bat er.
Die dritte Amanda zögerte den Hauch eines Augenblicks.
„Zunächst einmal“, sagte sie dann, „war die zweite Amanda jene Frau, die sowohl von Kensie als auch Ian Graeme geliebt wurde.“
„Kensie und Ian?“ Hal verspürte eine eigenartige Kühle, die durch seinen Körper sickerte. „Aber Kensie hat nie geheiratet, und Ian …“
„Das stimmt“, gab Amanda zurück. „Ians Frau, die Mutter seiner Kinder, hieß Leah. Aber
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