Vom Himmel das Helle
entsetzt ins Leere. »Was willst du von mir?«, begann ich auf Mark einzureden.
»Ich bin da«, wiederholte er ruhig. Nur diese drei Worte.
»Gut, du bist da. Was ich mich allerdings frage, ist, was willst du von mir?«
»Dein neuer Fall …« Mark machte eine bedeutungsvolle Pause. »Almut Lohmann, ihr Mann Friedrich und noch jemand …«
»Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst.« Wieso geriet ich derart aus der Spur, weil Mark von Almut und ihrem erschossenen Mann zu reden begann. Und was sollte dieses und noch jemand bedeuten?
»Die Liebe!«, gestand Mark und verwirrte mich damit vollends.
»Mord und Misshandlung!«, stellte ich richtig. »Ich kümmere mich um das Gegenteil von Liebe. Das ist mein Beruf.«
»Alles geschieht im Namen der Liebe. Erinnere dich, Lea!« Mark seufzte. Als er weitersprach, klang seine Stimme wie ein Dolch, der nicht verletzte, jedoch auseinanderschnitt und neu zusammensetzte. »Gestattest du mir, dir ins Bewusstsein zu rufen, was Liebe ist?« Es klang nicht wie eine Ermahnung, sondern wie ein Vorschlag. »Novalis hat es so beschrieben: Die Liebe ist das höchste Reale – der Urgrund . Ich selbst könnte es nicht besser ausdrücken. Liebe ist die Wurzel von allem.« Ich spürte, dass mich dieser Satz tief berührte, doch ich wusste nicht weshalb. »Mag schon sein, dass der berühmte Novalis Recht hatte. Vielleicht willst du mir sogar erzählen, dass ihr euch, nach dem Tod selbstverständlich, auf einen kleinen Plausch getroffen habt. Novalis und du. Wo auch immer man einander danach trifft.« Ich massierte mir mechanisch die Pulsadern am Handgelenk und versuchte, jeden weiteren Gedanken, der sich mit dem Leben nach dem Tod und dem Mysterium rund um Mark beschäftigte, auszuschalten. »Nimm bitte zur Kenntnis, dass ich zu arbeiten habe«, hob ich an. »Ich bin maßgeblich daran beteiligt, einen mysteriösen Fall aufzuklären, den wir noch nicht mal richtig angegangen sind. Ich hab keine Zeit für Diskussionen, auch wenn mich die Liebe grundsätzlich interessiert.« Es klang arrogant und unnachgiebig und ich hoffte sogar, ich könnte Mark so loswerden und ohne größere Blessuren zu meiner Normalität zurückfinden.
»Du behauptest, die Liebe interessiert dich?« Mark lachte leise auf. Doch sein Lachen klang betrübt. Ich wünschte mir inständig, er möge aufhören, mich ins Gebet zu nehmen und ich könnte zurück in mein altes Leben. Doch Mark dachte nicht daran und sprach weiter. Jedes Wort von ihm teilte mir mit: Ich bin da, es gibt mich, Lea! Ich existiere. »Die Liebe interessiert dich als Fallbeispiel. Und natürlich, weil du jemanden in deinem Leben haben möchtest. Menschen sehnen sich nach Liebe, weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, ein Partner löse ihre Probleme und mache sie glücklich.« Mark lachte erneut und diesmal klang es verständnisvoll. So, als wisse er selbst am besten, wovon er sprach. »Aber das stimmt nicht. Das ist nicht die Liebe. Es ist die Illusion davon und es geht schief.« Ich begriff, dass Mark mit jedem Wort, das er aussprach, ins Schwarze traf. Es war so, wie er es beschrieb. Wir benutzten die Liebe, um ein Loch, das wir in uns spürten, aufzufüllen. Doch wer gab das schon zu? »Liebe, um etwas zu bekommen. Um sich kurzfristig besser zu fühlen. Das ist nicht die Liebe, die ich meine. Und auch nicht die deine, die du tief in deinem Herzen bewahrst, wie den kostbarsten Schatz, den du je heben könntest. Man muss sich selbst glücklich machen, auch ohne Partner. Erst danach kann die Liebe kommen, die ihr als solche bezeichnet.« Mark schien ein romantischer Philosoph zu sein und er ließ nicht locker. Doch so sehr er auch mein Interesse weckte, grundsätzlich zumindest, so ungern wollte ich ihm weiterhin meine Zeit widmen. Ich hatte immer noch Angst davor, was passierte, wenn ich mir gegenüber zugab, dass Geister existierten. Ich hatte Angst vor einer neuen Freiheit im Denken und den Konsequenzen daraus. Mit wem würde ich noch sprechen können? Und würden meine Freunde sich von mir abwenden und mich als Spinnerin abtun?
»Mark, hör mir bitte zu«, fuhr ich fort, weit ruhiger als zuvor. »Ich glaube nicht an ein ewiges Leben. Den Tod kann man nicht ignorieren. Es gibt ihn. Wenn man stirbt, ist man tot. So ist das nun mal, verstehst du?«
»Stimmt, Lea. Der Körper stirbt und ist für immer verloren und wenn wir lediglich unser Körper wären, stürben wir ebenfalls. Doch wir sind mehr als das. Der Körper ist unser Verstärker
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