Vom Himmel das Helle
kein einziges Mal bei mir zu Hause gesehen. Ich war mir noch nicht mal sicher gewesen, dass er meine Adresse kannte. Doch nun stand fest, er kannte sie.
Natürlich wussten wir einiges voneinander, Frank und ich. Ich wusste zum Beispiel, dass er in einem heruntergekommenen Loft lebte, ständig wechselnde Freundinnen hatte, inklusive einer, die er beibehielt, die aber verheiratet war: Carmen, seine erste große Liebe, die tragisch endete, weil er sich in eine andere verschaute, und Carmen, anstatt zu trauern, schnellstens für Ersatz sorgte. Er kannte sie seit seinem achtzehnten Lebensjahr. Als sie sich dann vor fünf Jahren zufällig in einem überfüllen Kaufhaus wieder begegneten, begannen sie eine Affäre. Anfangs brachte Frank diesen Umstand als das Salz seines Lebens zur Sprache, doch in den letzten zwei Jahren war der Salzgeschmack auf seiner Zunge anscheinend schal geworden. Inzwischen ging es ihm gehörig auf den Keks, dass er der Mann im Hintergrund war, der Geliebte, der Unsichtbare, der sich nach dem Terminkalender der Frau zu richten hatte. Er versuchte es mit neuen Eroberungen am Rande dieses Dauerintermezzos. Ein Ablenkungsmanöver, das in der nächsten seelischen Sackgasse endete. Insgesamt schmeckte ihm seine momentane Situation wie lauwarmer Kaffee ohne Milch und Zucker.
Von mir wusste Frank lediglich, dass ich zurzeit keinen Mann in meinem Leben hatte außer meinen Vater. Er kannte ein paar meiner Vorlieben und einige wenige Abneigungen, ansonsten musste ich ein undefinierbares Etwas mit ausufernden Psychologiekenntnissen für ihn sein. Trotzdem hatten wir uns immer ganz gut verstanden.
»Seit die Kacke in der Sonne am Dampfen ist«, antwortete Frank auf meine Frage, weshalb er vor meiner Wohnungstür stand. Er grinste irgendwie verloren, vielleicht war er einfach nur von diesem Tag genervt oder hatte Stress mit Carmen. Er sah sich hastig in meinem Flur um und sprach dabei weiter. »Hübsch hast du’s. Alles nah beisammen, keine unnötigen Wege, um sich was zu beschaffen.«
»Du meinst, hauteng passt nur bei Jeans, und nicht bei den eigenen vier Wänden? Muss ich dir die Mietpreise erklären?!«, verteidigte ich mich, lachte jedoch dabei. Seit mein Vater bei mir wohnte, fühlte sich diese Wohnung wie eine Pappkulisse an. Kein Zement zwischen den Ziegeln, kein Kleber, nur dünnes Papier, das viel zu viel durchließ. Doch lachen half ja bekanntlich in jeder Situation. »Die Mietpreise sind nicht unser Thema, Lea. Ich bin hier, weil Platzker fast durchdreht. ›Geht nichts weiter im Fall Lohmann?‹, nervt er dauernd. Der ist wie’n Hamster im Rad. Wenn’s noch länger so mies läuft, wirst du ihn abknutschen müssen, um die Sache wieder hinzukriegen.« Frank wirkte ernsthaft besorgt. »Ich weiß«, stammelte ich und knetete meine Finger. »Es könnte besser laufen.«
»Du meldest dich nicht, während Almut Lohmann in ihrer spektakulären Villa den Halbschlaf der Erinnerungslosen vor sich hin döst und annimmt, wir kaufen ihr das auch noch ab.« Frank holte tief Luft und polterte weiter. »Herrgott, wir müssen diesen Fall lösen. Damit verdienen wir unser Geld. Dass das nicht immer ’ne Shoppingtour oder ’n Saufgelage ist, haben du …« Frank tippte energisch mit seinem Zeigefinger auf mein Schlüsselbein, danach auf seines, »… und ich vorher gewusst.«
Das Ganze klang nach Standpauke und ich konnte noch nicht mal was dagegenhalten. Zwar störte Frank meinen frühen Morgen wie ein ständig quasselnder Radiomoderator, aber natürlich musste ich eingestehen, dass er Recht hatte. Nicht nur Almut döste vor sich hin, ich tat es auch, und zwar gründlich. Ich hatte noch nicht den berühmten Zugang zu diesem Fall gefunden. Außerdem überlegte ich noch immer, ob es vernünftig wäre, Platzker anzuvertrauen, dass ich Almut kannte. Doch dann hätte er mir den Fall garantiert entzogen. Frank konnte ich natürlich auch nicht einweihen. Ich würde ihn in Bedrängnis bringen und er sollte meinetwegen nicht lügen müssen.
Zur Abrundung des Ganzen waren da noch Mark und mein Vater, die für genügend Abwechslung sorgten. Aber das ging Frank ebenfalls nichts an. Er würde mich einweisen lassen, wenn ich von einem Geist erzählte, der den Fall Lohmann vorausgesagt hatte. Den Fall, vor dem ich zähneklappernd und zaudernd stand wie vor einem millionenteuren Kunstwerk, das ich gerade mit meinen Patschefingerchen ruiniert hatte.
»Frank, ich weiß, du sagst da nichts grundlegend Falsches. Aber in der
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