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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Notfallpsychologie gibt es manchmal Notfälle.« Ich versuchte es mit einem joke, das zog immer bei Frank. Diesmal nicht.
    »Was du nicht sagst«, warf er ein. Seine Stimme klang inzwischen wie eine Granate, die er auf lange anvisiertes Gebiet geworfen hatte. »Und was gedenkst du zu tun? Oder steuerst du die Kündigung an und gehst als Tingeltangelpsychotante nach Ibiza, um das Leben zerstrittener Urlauber bis zum nächsten Dreitagetrip zu kitten?«
    »Ich fahre heute noch zu Frau Lohmann und setze ihr die Daumenschrauben an«, kündigte ich an.
    »Die harte Methode? Wie funktioniert die?« Frank schien mir kein Wort abzukaufen.
    »Das kann ich Ihnen sagen!« Mein Vater kam daher wie ein römischer Feldherr, der seine Untergebenen gnädigerweise empfängt, und mischte sich ein. »Und Sie sind?«, wollte Frank wissen, obwohl ihm gleich klar war, dass es sich um meinen Vater handelte.
    »Leas Vater.«
    »Ah, ja, verstehe!« Frank wusste offenbar nicht, was er von meinem Vater halten sollte, wahrscheinlich weil er derart geschniegelt herumlief, was Frank, der es leger liebte, überhaupt nicht abkonnte. Graue Bundfaltenhose, strahlendweißes Button-down-Hemd, Designergürtel und Seidenhalstuch, weshalb auch immer, das musste für meinen Kollegen wie ein Affront am frühen Morgen wirken. »Frank Kastein. Leas Kollege. Wir haben hier was zu klären«, stellte Frank sich vor.
    »Wenn das Feuer des Berufslebens heruntergebrannt ist, bleibt nur noch ein Haufen Schutt, Asche und Restglut übrig. Könnte bei Lea so sein und bei Ihnen vermutlich auch?«, wollte sich mein Vater wichtig machen. Er taxierte Frank von den Fußspitzen bis zum Haaransatz, als wäre er ein ramponiertes Kunstwerk. Aber er hatte sich geschnitten.
    Frank verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper und blieb ungerührt vom intellektuellen Kurzvortrag meines Vaters vor ihm stehen. Sein ganzes Gehabe glich einem Frontalangriff. Absolutismus in Reinkultur. Mein Vater war zwar ausgebufft, aber gegenüber solch einer erfrischenden körperlichen Art der Abneigung zog er den Schwanz ein. »Wollen Sie mit diesen seltsam verschränkten Armen andeuten, auf meine Anwesenheit können Sie verzichten?«
    »So in etwa! Da kann ich drauf scheißen.« Frank hatte manchmal eine Art, die einem die Plomben aus den Zähnen zog. Dafür hätte ich ihn heute umarmen können. Er sah mir die Begeisterung an und zwinkerte mir zu.
    Doch mein Vater gab noch nicht auf. »Da fällt mir doch gleich die Aussage des Philosophen Ludwig Wittgenstein ein: ›Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen!‹ Verstehen Sie, was ich damit meine, Herr Kastein?«
    »Klar und deutlich, wie ein frisch gezapftes Blondes, Herr Einsiedel. Trotzdem, Philosoph hin oder her, Ihre Tochter und ich müssen ranklotzen. Sie entschuldigen uns.« Er nickte meinem Vater übertrieben grinsend zu und ging mit mir ins Wohnzimmer, dessen Lage in meiner Wohnung nicht schwer auszumachen war.
    Mein Vater hatte ein Gesicht aufgesetzt, das ich nie wieder vergessen würde: Wie ein Mann, der am frühen Morgen in Hundescheiße tritt, um kurz darauf vom nächsten Köter angepinkelt zu werden, weil er für einen Baum gehalten wird. Mit blecherner Stimme murmelte er uns ein: »… ’f Wiedersehen!« hinterher und schlurfte davon.
    »Dein Charakter bietet Zündstoff, Frank. Manchmal aber auch Anlass zur Freude«, bedankte ich mich bei ihm. »Da kannst du so sicher sein, wie Carmen bald ihren Typen verlässt. Übrigens«, hob Frank an, ehe ich etwas zu seiner privaten Perspektive sagen konnte, und grinste derart lausbübisch, dass ich am liebsten schon im Voraus lauthals losgelacht hätte. Doch ich hielt mich zurück. »Dein Vater macht mir ganz den Eindruck, als hätte er den Großteil seines Lebens im Hühnerkot stehend verbracht. Barfuss, versteht sich. Ist ihm wohl nicht gut bekommen, dem Penner in Designerverkleidung.« Ich grinste breit, sodass mein Mund wie ein fröhliches Boot aussehen musste mit der Nase als Segel. Ich war froh, dass der Elefantendung und sonstiges übellauniges Zeug aus dem Herzen meiner Wohnung entfernt worden war, denn so mussten wir keinen Zickzacklauf durch mein Wohnzimmer hinlegen, sondern konnten direkt meinen Lieblingssessel und die Couch ansteuern und uns darin versinken lassen. Franks Analyse meines Vaters war noch nicht zu Ende, darauf hätte ich wetten können. Ich freute mich auf die Fortsetzung wie ein Kind, das seinen Geburtstag am 24. Dezember feiert und auf

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