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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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doppelte Geschenke hofft.

Zwanzig

    Frank erwähnte meinen Vater mit keinem weiteren Wort, sondern machte stattdessen Druck, was die Aufklärung unseres Falls anbelangte. »Weißt du, was mir neuerdings einfällt, wenn ich an Almut denke?«, warf ich rasch ein. Frank schüttelte den Kopf. »Zecken.« Er hob irritiert die Brauen. Offenbar verstand er nicht, worauf ich hinauswollte »Deren Welt besteht aus zwei Variablen. Temperatur und Buttersäure. Das ist alles, was die kleinen Blutsauger interessiert. Es ist die kleinste aller Welten, wenn man’s so sehen will. Nicht sehr sozial, oder?«
    »Ja und? Was willst du damit andeuten? Dass Almut Lohmann uns aussaugt wie ’ne eklige Zecke? Damit könntest du recht haben, aber es hilft uns nicht weiter.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Kennst du den Mythos von den Sonnenblumen in Lappland?«
    »Nie von gehört.« Ich sah Frank an, dass er sich überstrapaziert fühlte, sprach aber trotzdem weiter. »Wenn die Sonne im Sommer nicht untergeht, kreisen sie ständig und strangulieren sich so selbst. Alles fing so gut an. Niemals Dunkelheit, immer Licht, was natürlich Nahrung bedeutet. Doch was so gut begann, stellte sich schließlich als Untergangsszenario für die Sonnenblumen dar. Almut Lohmann.« Ich machte eine Pause. »Sie entspricht den Sonnenblumen in Lappland.«
    »Ich steh noch immer auf der Leitung.« Frank schien mir endlich seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Solche Geschichten, wie ich sie gerade erzählte, hörte er bestimmt nicht alle Tage. Vor allem nicht in Zusammenhang mit der Aufklärung eines Mordes und schwerer Körperverletzung.
    »Das ist so ein Gefühl, Frank. Ein intensives Gefühl, das mich langsam beherrscht. Almut ist eine Zecke, die nur zwei Dinge interessiert: etwas, das ich noch nicht kenne, aber herausfinden werde, und sie selbst. Sie ist die Sonnenblume, die zu viel des Guten hat. Dieses ursprünglich Gute oder Angenehme bricht ihr letztendlich das Genick. Ich muss nur noch herausfinden, was es ist, und den Genickbruch verhindern. Denn wenn ich es nicht schaffe, haben wir bald zwei Tote zu beklagen. Friedrich und Almut Lohmann.«
    »Ich verstehe ja nichts von deinem Psychokram, das weißt du, Lea. Für mich hört sich das Meiste, was du mir bisher bei der Aufklärung unserer Fälle referiert hast, utopisch an. Bisher hab ich wenigstens noch ’n Fünkchen verstanden, aber jetzt ist in meinem Gehirn Sendepause. Einbahnstraße. Ich check absolut nichts.« Frank fuhr sich mit den Händen durchs Haar und klopfte sich schließlich in einem seltsamen Rhythmus mit den Fingern aufs Bein. »Ich sag’s mal so: Du verstehst dein Handwerk und hilfst uns, bisher zumindest, immer enorm weiter. Aber könnte es nicht sein, dass du diesmal spinnst?«
    »Vielleicht«, entgegnete ich. »Vielleicht aber auch nicht!«

    Nicht nur der Prozess der Rechtsfindung ist ein schwieriger, auch der Weg dahin ist es. Irgendwann würde ein gerichtliches, schriftlich ausgestelltes Urteil ergehen. Nämlich wenn wir die oder den gefunden und dingfest gemacht hätten, der Friedrich Lohmann erschossen und seine Frau misshandelt hatte. Doch dem Ganzen ging etwas ungeheuerlich Anstrengendes und Feinfühliges voraus. Meine und Franks Arbeit.
    Zwischen Almut und mir hatte sich eine stille Gegnerschaft ausgebreitet. Eine schlechte Voraussetzung für gute Arbeit. Ich hatte keine Lust, mir ernsthafte, berufliche Schwierigkeiten einzuhandeln. Schließlich hatte ich mein Leben bist dato nicht abgesessen wie eine Strafe, sondern aktiv gestaltet, und zumindest im Beruflichen war mir manches geglückt. Ich genoss Ansehen. Ich war gefragt. Auch wenn Frank diesmal nicht an meine Thesen glauben mochte, die ich noch nicht mal richtig ausformulieren, sondern nur als vages Gefühl transportieren konnte, so hatte ich ihn doch hinter mir. Wir kämpften an einer Front, wenn auch von unterschiedlichen Richtungen kommend und mit verschiedenen Waffen. Ich wusste, wenn’s hart auf hart kam, warf Frank mir keine Steine in den Weg, sondern ebnete ihn mir.
    Sein Auftauchen bei mir zu Hause hatte Wirkung gezeigt. Ab jetzt war Schluss mit lustig. Ich saß, kaum dass er wieder auf der Straße stand, in meinem Wagen auf dem Weg zur Villa Lohmann. Ich würde Almut in die Mangel nehmen. Schleudertouren waren angesagt. Mit der soften Methode war bei ihr nicht weiterzukommen. »Weiterkommen!«, sinnierte ich fieberhaft vor mich hin. Ich musste unbedingt weiterkommen. Ansonsten würde mir Walter Platzker die

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