Vom Himmel das Helle
hindeutete. Auf einem Vulkan hätte es nicht gefährlicher sein können als an dem Platz, an dem sie sich seit wenigen Tagen befand.
Siebzehn
Er hockte zwei Etagen unter Almuts Krankenzimmer und schätzte beklommen seine Chancen. Die Luft, die sich zwischen ihn und Almut geschoben hatte wie eine trennende Wand, war derart elektrisch aufgeladen, dass es der Behandlung mit Elektroschocks gleichkam, wenn sie sich näherten. Am liebsten wäre er ihren Körper entlang geglitten und hätte ihr mit der Zärtlichkeit seiner Hände die vergangenen Tage weggewischt. Doch bis jetzt kam er lediglich bis auf vier, fünf Meter an sie heran.
Almut behauptete neuerdings, er kenne nur die periphere Welt, nicht die dekorative. Was immer sie damit meinte, es ging ihm am Arsch vorbei. Sie drückte sich oft kompliziert aus. Als wolle sie ihm zu verstehen geben, wie verschieden sie, abseits vom Sex, waren. Das ging ihm auf die Nerven. Dabei hatte er ihr Leben mit Stunden voller tiefgründiger Leidenschaft angefüllt. Mehr als ausgemacht gewesen war.
Nun allerdings war der Kelch übergelaufen, ohne dass er etwas dagegen hatte tun können. Er hatte es selbst gespürt, als er sich in diese seltsame Spirale hineinbegab, diese Achterbahn, in die ihn die Wut und Gewalt geschleudert hatten. Er hatte Almut mit sich gezogen und sie geprügelt, geschlagen und gedemütigt und sogar Lust dabei empfunden. Eine seltsame, rauschhafte Lust, die nichts mit der des Sexuellen zu tun hatte. Eine Lust fernab davon, eigenständig und süchtig machend. All das Dunkle, alles Verstecken, all der Hass auf ihr Leben im Licht war in ihm aufgewallt, hatte sich gebündelt und auf sie entladen. Auf die Frau, die er seit jenem Herbsttag fickte.
Wann hatte es begonnen? Er seufzte träge und lehnte den Kopf gegen das Sofa im Keller. Sein Paralleluniversum, nannte Almut das Zimmer. Eins, das Friedrich Lohmann nie zu Gesicht bekommen, aber auch nie gesucht hatte.
Sie waren einander erstmals am 3. September begegnet. Er würde sich immer an dieses Datum erinnern. Am 3.9. hatte das Geschehen seinen Anfang gefunden.
An jenem Tag hatte der Wind ihm ins Gesicht gepeitscht. Scharfe, schwere Striche über seine Wangen und in die Augen hinein. Er hatte sich die Kapuze seiner Jacke tief ins Gesicht gezogen. Nur raus aus der Firma und irgendwo ein Bier trinken. Das hatte er vorgehabt.
Als er Almut zum ersten Mal sah, war er sofort geil gewesen. Sie war ein ziemlich auffälliges Weib. Gute Kurven, toller Gang, Haare, in die er mit seinen Händen hineinfahren wollte. Gehört hatte er bereits von ihr. Von der kapriziösen Frau des Bosses. In der Firma wurde getuschelt. Weniger hinter vorgehaltener Hand als offen und frei heraus. Anscheinend interessierte sich niemand dafür, was geschehen würde, falls Friedrich Lohmann davon erfuhr.
Sie war aus ihrem Porsche gestiegen und hatte einen Blick auf ihre schwarzen High Heels mit den feuerroten Sohlen geworfen. Wie einstudiert war sie auf Friedrich Lohmann zugekommen und hatte gleichzeitig ihn, den kleinen Angestellten, mit Blicken verschlungen, wie man nach einer langen Hungerphase einen saftigen Burger verschlingt. Sie war hungrig und gierig und er hatte gehofft, dass er bald neben ihr auf dem teuren Leder des Sportwagens sitzen würde, ihre Hand an seinem Schritt.
Auf einer Fahrt hinaus aufs Land, die wenige Tage später folgte, waren sie sich tatsächlich näher gekommen.
Der Herbst war in diesem Jahr ungewöhnlich mild gewesen. Zu Mittag hatte es noch fast dreißig Grad gehabt und er hatte Almut, die Frau seines Chefs, auf der erhitzten Kühlerhaube gevögelt und nichts dabei empfunden, außer einer aufflackernden Dankbarkeit, aus dem stickigen Büro herauszukommen, in dem er zuvor noch wie ein Gefangener über Kalkulationen gesessen hatte. Sie hatte ihm die Finger in den Mund gesteckt, während über ihnen die warme Herbstluft rauschte. Er hatte sich frei gefühlt. Egal, was sie mit ihm vorhatte, er wäre dabei. Er trat als Zuchtbulle an, er war die Ware, die Almut Lohmann, nein, nicht kaufen, erobern wollte. Aber auch er erlag ihr. Ihrer feuchten Grube über dem heißen Blech. Ihrer weichen Samthaut und dem geruchlosen Atem, den sie ihm entgegenpresste. Ihre Brüste waren groß wie Melonen. »Ich hasse Melonen!«, fiel ihm ein, als käme er nach einer Amnesie wieder zu sich. Wenn er Melonen aß, musste er hinterher ständig pinkeln und fühlte sich wie ein alter Sack, der Probleme mit der Prostata hatte.
Ihre Melonen
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