Vom Himmel das Helle
weit auskannte, und, was nicht zu verachten war, deren Belegschaft man zu einem Großteil hinter sich hatte, weil man als beliebt galt. Bogdan war vor dem überquellenden Futtertrog gesessen und hatte nur noch zugreifen müssen. In die Fußstapfen seines Nebenbuhlers treten und dessen Leben stellvertretend weiterleben. Für einen Menschen mit ausgeprägtem Ego reichte die Frau nicht, da musste es schon etwas mehr sein. Diesen Hang zum Unersättlichen hatte ich in meinem Beruf oft zu sehen bekommen. Aus nächster Nähe und mit erschütternden Folgen.
Während ich in diesen Gedanken wühlte, fiel mir, völlig aus dem Zusammenhang gerissen und ohne dass ich es gewollt hätte, ein Auszug aus der Bergpredigt ein, den Mark bei einem unserer Gespräche zitiert hatte. Während er sprach, hatte sich seine Stimme, – die ich wie immer nicht hörte, sondern in mir drin als Gefühl wahrnahm –, wie die samtweichen Pfoten einer Perserkatze auf mich gelegt, die sich auf meinem Bauch zusammenkringelt und mir Wärme und Zuneigung gibt. Freiwillig und gänzlich unerwartet, schließlich konnte man Perserkatzen zu nichts zwingen; ein Umstand, der ihre Nähe umso kostbarer machte.
Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land besitzen.
Ich hatte den Satz gehört, hatte ihn schön und richtig empfunden, was Moral und Anstand anbelangte. Doch dann hatte Mark mir erklärt, was es mit diesem Satz auf sich hatte. Er hatte erläutert, dass mit »Land« nicht Grund und Boden gemeint waren, sondern dass das Synonym Land für das Kostbare stand, für das Leben selbst. Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden ewig leben. Sie werden den Tod überwinden. Sie sind nicht ihr Körper, sondern ihre Seelen. Und wenn sie wollen, können sie ihren Körper sogar behalten oder sich von Zeit zu Zeit materialisieren. Ich hatte staunend Marks seltsamen Erläuterungen gelauscht, wie ein Kind dem Weihnachtsengel zuhört. Ich war selbst in die genannte sprichwörtliche Seligkeit gefallen, von einem Moment zum anderen. Ich fühlte mich getragen, sogar mehr als das, wie auf Wolken schwebend, völlig sorglos und randvoll mit dem, was wir Zufriedenheit und Glück nennen.
Marks Reden waren nie wie das dichte Gestrüpp, in dem ich mich im Beisein meines Vaters verhedderte. Seine Worte waren klar wie Trinkwasser. Rein wie der Popo eines gerade zur Welt gekommenen und gewaschenen Babys, bevor es in einen Strampler kommt. Unberührt wie eine seltene Wildblume im Gebirge.
Mark war inzwischen längst kein Fossil mehr aus einer anderen Zeit. Er war für mich so wirklich wie der Mond, der nachts auf mein Bett schien. Er war so aktuell wie Valerie, mit der ich alles Wichtige besprach. Er war da. Ich spürte ihn und schien ihn zu hören. Und ich merkte, wie ein Teil meines Herzens für ihn reserviert blieb.
Ich schwang mich vom Ast des Baumes. Meine Schuhe beschrieben einen Kreis im Garten der Lohmanns und ich schlug die Hände gegeneinander, um eine leise beginnende Kälte fernzuhalten.
Die letzten Monate hatte mein Leben einen schmucklosen Zustand angenommen, ohne dass ich es gewollt hätte. Doch seit es Mark gab, fühlte ich mich wieder reich beschenkt. Ich schwelgte in Diamanten, denn jedes seiner Wörter war ein weiterer funkelnder Stein. Doch weshalb hielt ich mich zurück, mit Valerie über meine seltsamen Erlebnisse zu sprechen oder mit irgendjemandem sonst? Anfangs hatte ich mir weisgemacht, die Geschichte würde mir kein Mensch abkaufen und das war natürlich der Hauptgrund. Inzwischen ahnte ich aber, dass ich Mark auch für mich behalten wollte. Das zarte Pflänzchen unserer Freundschaft sollte nicht verwässert, nicht beschmutzt werden durch zweifelnde Worte und Unmengen von Fragen. Mark war wie die neue Liebe in meinem Leben, mit der keiner mehr rechnete, oder zumindest so schnell nicht. Wenn der Traummann dann da ist, will man ihn zuerst in aller Heimlichkeit küssen und herzen, lieben und ihm zuhören dürfen, bevor die anderen, der Rest der Welt, dran ist, laut »Hurra, sie hat den Richtigen doch noch gefunden!«, zu schreien. Und obwohl Mark ein Geist war, fühlte ich mich längst so, als hätte ich in ihm den Richtigen gefunden. Den, der mir am nächsten stand.
Als ich ihn gefragt hatte, wie er aussah, als er noch wie ich und alle anderen auf der Erde und in einem Körper gelebt hatte, hatte er zuerst lange geschwiegen. Ich hatte die Zeit genutzt, indem ich ihn zu zeichnen begann, früher mein Hobby. Ich stellte ihn mir mit
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