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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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hoher Stirn, prachtvoll türkisfarbenen Augen, die sich ins Unendliche weiten konnten und die mich an die Brandung auf Bora Bora erinnerten, vor. Seine Lippen hatte ich als zwei feine, zarte Linien verfolgt, die sich sachte aufeinander legten.
    Als er mir endlich Rede und Antwort stand, kam die enttäuschende Wahrheit ans Licht. Er beschrieb sich als knapp zwei Meter groß und durchschnittlich aussehend. Außerdem wäre er mit einem Schwall Sommersprossen vom Schicksal übergossen worden.
    »Falls du mehr hören willst, Lea. Ich hatte einmal eine interessante Hutsammlung. Ich hab die Hüte ständig gezählt und mir so die Zeit vertrieben.«
    »Hattest du etwa rote Haare unter deinen Hüten?«, fragte ich nach. Ich wusste nicht, weshalb, aber Männer mit roten Haaren turnten mich nun mal nicht an.
    »Fast«, gab Mark an. »Braunrot, mit ein bisschen Gold drin. Das aber nur, wenn krass die Sonne schien«, fügte er hastig an und lachte.
    Ich atmete tief durch und schalt mich schließlich selbst. Mark merkte mir sicher an, wie es in mir aussah. Ich war einfach zu sehr aufs Äußere bedacht. Ein oberflächliches Frauenzimmer.
    Doch er lachte augelassen weiter und schien sich gar nicht mehr einzukriegen.
    »Das hier ist wie kontaminierter Boden für dich, nicht wahr? Auf der Skala der schlimmen Dinge steht mein Äußeres ganz weit oben.«
    Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte. »So wie ich mich beschreibe, erfülle ich im besten Fall den Restbestand deiner Illusionen. Ich bin wie die Männer im Urlaub, die Bermuda-Shorts tragen, Sandalen und weiße Tennissocken dazu. Ich bin der Quasimodo deiner ohnehin schon einsamen Nächte.«
    »Ach, hör auf. Du nimmst mich auf den Arm«, verlangte ich spitz.
    »Nein, Lea. Das tust du schon selbst. Ich bin nichts von dem, was du denkst oder hoffst, und nichts von dem, was ich dir gesagt habe. Ich bin reine Energie. Den Körper, den ich mal bewohnt habe, um es so zu umschreiben, den gibt’s nicht mehr. Ist auch unwichtig. Was zählt, ist das, was wir miteinander spüren und sind.«
    »Klar. Kai Pflaume. Nur die Liebe zählt. Ist ’ne Schmalzsendung im Fernsehen. Willst du auf so was hinaus?«
    »Ja, nur die Liebe zählt. Und wenn es dir hilft, denkst du dir einfach einen Körper für mich aus, x-beliebig, wie’s dir gefällt. Das ist wahr oder unwahr, ganz wie du’s haben willst. Denn letztendlich ist jeder Körper Illusion, selbst deiner. Er existiert nur, weil du deine Energie im Äußeren belässt. Wenn du dich aufs Innere verlegen würdest, löste sich die Existenz des Äußeren irgendwann auf, die Wichtigkeit des Körpers nähme ab und du würdest mehr und mehr das Innere eines Menschen wahrnehmen. Das, was wirklich zählt.« Ich nickte kleinlaut und schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen? Dass ich offenbar mal wieder nichts von dem, was wirklich war, ahnte? »Liebe ist das Einzige, was nicht weniger wird, wenn wir es verschwenden. Liebe potenziert sich. Liebe und du wirst leben, Lea.« Der letzte Satz hatte wie eine Mischung aus Mahnung und Verheißung geklungen und sich wie die Zeichen, die Cowboys dem Vieh ins Fleisch tätowieren, in mein Gemüt gebrannt. Er war noch lange in mir nachgehallt und würde vielleicht für immer bleiben.

Siebenundzwanzig

    Almut hievte sich aus dem Bett, ging zum Schrank, öffnete ihn und zog wahllos ein Kleid heraus. Während sie sich anzog, sprach sie leise zu sich selbst. »Ich muss was tun. Ich hab schon viel zu lange gezögert. Erinnerungen sind trügerisch.« Sie hatte die ganzen letzten Monate, seit sie mit ihrem Liebhaber in diesem Haus wohnte, und sogar noch, als er sich an ihr vergangen hatte, dieses Bild gesehen.
    Die Flasche Bourbon auf dem Tisch. Leise Jazzklänge aus der Anlage – Martin Grubinger, diesen Virtuosen am Xylophon und am Schlagzeug, sie mochten ihn beide. Der Duft seines Parfüms in den Luftschichten zwischen ihm und ihr. Er spielte Katz und Maus mit ihr und vermittelte dabei das Gefühl die Maus zu sein, obwohl er die Rollen immer wieder neu ausbalancierte und meist längst die Katze mit schlagbereiter Tatze war. »Gleichberechtigung, Baby. Denk dran!«, hatte er oft zu ihr gesagt und es hatte ihr gefallen.
    Er zog unten erst blank, wenn sie derart geil war, dass sie darum bettelte. Dann fickte er sie nicht etwa, sondern befriedigte sie mit den Fingern und seinem nassen, bourbongetränkten Mund. Seine Fleischlippen, die wie Berg und Tal auf und ab fuhren, waren eine Himmelfahrt, die programmgemäß im Rausch

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