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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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werden, der Haupttrieb. Er wollte Friedrich ersetzen und ihr Mann werden. Doch sie wollte nicht mehr seine Frau sein.
    Mit einer durchtriebenen Selbstverständlichkeit hatte er immer mehr für sich gefordert, nachdem er ihr dieses Barbie-Gefühl gegeben hatte, wie sie es für sich nannte. Das Gefühl für große Teile der Welt perfekt zu sein, das Halleluja des Lebens. Danach schlief es sich wie in den Armen Gottes, ohne Fehl und Tadel, was den eigenen Charakter betraf. Man stand nicht länger steif wie eine Betonwand vorm Leben, sondern bog und wogte, schien wie ein Grashalm im Wind, der mit sich und der Existenz spielte, ganz einfach, weil er so biegsam war und ihn nichts von seinem Sein trennen konnte, außer vielleicht ein Rasenmäher oder der Traktor eines Landwirts. Doch auch in diesem Fall lag eine Ahnung über allem. Was soll’s? Deine Wurzel ist tief in der Erde, verborgen vor den Blicken aller verankert. Dein Ursprung lebt unangreifbar. Dieses Gefühl hatte er ihr gegeben. Wieder und wieder, bis sie nicht mehr ohne es sein wollte. Auch wenn sie durchschaute, dass alles nur ein Spiel war. Eins, das sie begonnen hatte und dessen Ende niemand kannte. Das Spiel war zu gefährlich geworden. Sie war nicht länger der Kapitän, der Matchmaker. Und er nicht mehr der teuer eingekaufte Star. Nun war alles bedrohlich anders gekommen.

    Almut trat in den Flur hinaus und huschte auf dünnen Socken die Treppe hinunter. Norma sollte denken, sie harre weiterhin im Bett aus. Doch sie war endlich über die bemitleidenswerte Gestalt im Schlafzimmer hinausgewachsen und nahm ihr Schicksal wieder fest wie einen Schlagstock in die Hand. Einem inneren Drang folgend, stieg sie tiefer in die Existenz des Hauses hinab. In den inneren Kern, heiß wie der Lavastrom eines ausspuckenden Vulkans. »Hast du Angst, geh ihr entgegen!«, hatte ihr Vater ihr eingetrichtert. Das war, als sie nach einem spannenden Film, den sie heimlich angeschaut hatte, mit einem Kissen vorm Kopf dem Leben abgeschworen hatte, ganz der Scheinexistenz ergeben, die über den Bildschirm geflimmert war. Ein Häufchen zitterndes Leben. Ihr Vater hatte ihr Kissen und Hände vom Gesicht genommen, sie dabei streng angesehen und mit gut formulierten Worten vorgebetet: »Erst wenn die Angst dich auffrisst, bist du erledigt. Alles, was vorher ist, ist eine Chance.« Sie hatte es sich lange gemerkt, weil der Satz so klug klang und ihr Vater ihn ihr so ernst vorgebetet hatte. Ein Riese in ihrer damals noch kleinen, zaghaft erprobten Welt. Dann hatte sich der Satz wie viele andere auch in einer Mischung des Lebens aufgelöst. Heute war er zurückgekommen. Gemeinsam mit dem Profil ihres Vaters. Seinem strengen Lächeln, den bissigen, stark ausgeprägten und dunkel umwitterten Augen hinter der exzentrischen Hornbrille, die er immer mit der rechten Hand heftig gegen die Schläfe gedrückt hatte. »Erst wenn die Angst dich auffrisst, bist du erledigt. Alles, was vorher ist, ist eine Chance«, echote sie und brachte den Satz wie einen oftmals gehörten Psalm zur Wiederaufführung. Der nächste Schritt, der entscheidende, musste getan werden.

Achtundzwanzig

    Ins Haus zu kommen, war einfacher als gedacht. Norma hatte den glorreichen Einfall oder die Anweisung, den Müll hinauszubringen, und ließ die Haustür einen Spaltbreit offen, denn sie wusste ja, dass das Grundstück durch das Tor neben den Garagen von der Außenwelt abgeschlossen und damit gesichert war. Durch diese Lücke schlüpfte ich hinein und verschwand Richtung Keller. Das Stockwerk, in dem ich Bogdan Ivanovic vermutete, schon allein deshalb, weil die Spurensicherung dort am wenigsten präsent gewesen war.
    Ich hörte von den ersten Treppenstufen aus, dass Norma im Flur in ihrer Handtasche kramte. Ich duckte mich und presste meinen Körper an den Rand des Edelstahlgeländers. Wahrscheinlich suchte sie nach ihrem Autoschlüssel. Sie fand ihn und schickte einen kurzen Gruß in den ersten Stock hinauf. Doch sie bekam keine Antwort und murmelte etwas Unverständliches. Vermutlich irgendetwas wenig Schmeichelhaftes, weil ihre Arbeitgeberin es wohl nicht für nötig hielt, sich zu verabschieden. Norma schob ihren erschöpften Körper Richtung Haustür, öffnete sie und ließ die Tür ins Schloss fallen. Damit blieben Almut, ich und vielleicht eine dritte Person allein in der Villa zurück. Von oben leuchtete ein Lichtschein bis zu mir hinunter. Das musste die wuchtige Stehlampe vor Almuts Schlafzimmer sein.
    Ich hatte

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