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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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wie es in diesem Moment wohl in Almut aussah, nicht verkneifen, Dachte sie tatsächlich an Selbstmord? Nicht an ihren eigenen, sondern an den eines anderen. Der Selbstmord, auf den sie spekulierte, das stand für mich fest, wäre in Wirklichkeit ein getarnter Mord. Das perfekte Verbrechen.

Zweiundvierzig

    Norma wünschte, sie hätte sich den neugierigen Blick, mit dem sie nach dem Rechten sehen wollte, verwehrt. Ihre unbändige Neugierde hatte sie dazu angestachelt, außerdem hatte sie das seltsame Gefühl gehabt, jemand befände sich hinter ihr. Ein gierig nagendes Ungeziefer, das gerade sein Maul aufriss, um in ihr saftiges Fleisch zu beißen. Doch was sie zu sehen bekam, war die Gestalt eines Mannes. Einer, wie man sie in Modemagazinen abgebildet sah, in teuren Anzügen oder edler Unterwäsche. Was ihr nicht klar war, wie kam dieser Mann ins Haus von Frau Lohmann und was hatte er überhaupt hier verloren? Noch dazu halbnackt, nur mit einer Unterhose bekleidet? Und weshalb grinste er sie derart unverschämt an?
    Norma hatte, seit sie in Deutschland lebte, eine Vorliebe für Kriminalromane entwickelt und nun bildete sie sich ein, sie spüre tief in sich drin, dass von diesem Mann Gefahr ausging. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, außer ihres Gefühls, sie müsse etwas tun. Sie kam sich wie die Ermittlerinnen in den Romanen vor, die sie abends im Bett verschlang und ihre Angst ließ sich nicht ausschalten. Deshalb stolperte sie mit wenigen Schritten rückwärts in die Küche und griff mit einer seltsam ungelenk ausgeführten Geste nach einem Messer hinter sich. Verteidigen! Das war ihr einziger Gedanke. Doch kaum hatte sie das Tranchiermesser gepackt, da sprang er auf sie zu und schlang seine rechte Hand um ihren Unterarm. Aschfahl hing ihr Handgelenk in der Luft, die silberne Klinge als Verlängerung in Richtung Decke gereckt. Der Anblick hätte nicht verwirrender sein können. Die kleine Schwarzafrikanerin und der große nackte Mann, die im Kampf um ein Messer eine ungeplante Symbiose eingingen. Das Messer durchschnitt in einem hektischen Lufttanz imaginäre Linien, jederzeit zu einer tödlichen, letzten Bewegung bereit.
    Norma wusste einen furchtbar langen Moment nicht, wie ihr geschah.
    Nach dem abrupten Handgemenge mit dem Küchenmesser, das Gott sei Dank glimpflich ausging, nötigte sie der Fremde mit ihm in den Keller zu gehen. Wozu, darüber wollte Norma sich lieber keine Gedanken machen. Sie folgte ihm in den dunklen Schlund des Hauses, mit Beinen, weich wie frisch gekochter Pudding. Inzwischen rechnete sie mit dem Schlimmsten, denn sie war nun nicht mehr die kluge Ermittlerin sondern ein Opfer. Doch anstatt weiterhin ruppig oder angriffsbereit zu wirken, stellte der Unbekannte, kaum unten angekommen, plötzlich ein locker wirkendes Grinsen zur Schau und zog sie in einen herrlich eingerichteten Raum, den Norma noch nie zuvor gesehen hatte und mit dem sie hier unten auch nicht gerechnet hätte. Er streifte sich einen eleganten Bademantel über und begann zu plaudern.
    »Keine Sorge. Ich bin ein guter Bekannter von Almut, eigentlich sogar einer ihrer wenigen echten Freunde. Seit ich aus meiner Wohnung raus musste«, er zwinkerte ihr betont schelmisch zu, »lässt sie mich hier wohnen, weil …. na ja, egal, weshalb. Der Grund ist nicht sonderlich interessant, Norma.« Norma spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten. Alle gleichzeitig. Sie fröstelte. Wenn tatsächlich alles so war, wie der Fremde es darstellte, weshalb dann dieses seltsame Flackern seiner Augen, das er mit einem übermäßigen Grinsen wegzuretuschieren versuchte? In den Krimis waren Leute wie der Kerl gefährlich.
    »Davon weiß ich nichts«, setzte sie zur Antwort an und blickte dann hastig zu Boden. Die Äußerungen dieses Mannes beruhigten sie kein bisschen. Alles was sie sicher wusste, war, dass sie hier weg wollte. Sie entschloss sich, die Situation so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, nickte dem Mann zu und wandte sich zum Gehen. Während sie die ersten Schritte setzte, wartete sie noch darauf, dass irgendwas passierte. Vielleicht, dass der Mann sie zurückhielt und sie hier unten einsperrte. Doch es geschah nichts. Sie kam unbeschadet oben an.
    Als sie im Flur der Villa stand und ins Wohnzimmer lugte, wunderte sie sich. Das Essen auf dem Tisch stand noch immer verwaist da, doch sie weigerte sich, weitere Gedanken an etwas, das mit Almut Lohmann zu tun hatte, zu verschwenden. Stattdessen öffnete sie die

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