Vom Himmel hoch
sich geben. »Ich hatte ja meinen persönlichen Zwist mit ihm. Mit
der kleinen Ellen Heckert war einmal etwas. Zumindest liefen hinterher böse
Gerüchte durch das Unternehmen. Der Banzer hatte sich unerwarteten Ärger
eingehandelt, als Ellens Freund hinter die Affäre gekommen ist. Das mag der
Daniel Geerdsen überhaupt nicht, dass jemand seiner Freundin zu nahe kommt. Ich
glaube, Ellens Freund hat ebenso wie das Mädchen unter den bösen
Unterstellungen und Halbwahrheiten gelitten, die innerhalb des Betriebes und
auch draußen in der Stadt verbreitet wurden.«
»Wissen Sie etwas von einer Auseinandersetzung
zwischen den beiden Männern?«, hakte Große Jäger jetzt ein.
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Da ist mir nichts
bekannt. Wie gesagt, der Daniel ist fürchterlich eifersüchtig. Der geht ja
schon an die Decke, wenn wir abends gemeinsam zum Biertrinken sind und zufällig
ein anderer Mann neben Ellen sitzt. Es ist richtig, dass das Mädchen gern mit
dem Feuer spielt. Trotzdem fand ich, dass der Spaß am Ziel vorbeigeschossen
ist, als ihr irgendjemand mehrmals gebrauchte Kondome auf den Schreibtisch
gelegt hat. Es ist nie herausgekommen, wer das war.«
Christoph schüttelte wortlos seinen Kopf.
Eine große Familie. Die Beschreibung des kaufmännischen Leiters fiel ihm wieder ein. Warum müssen
Menschen das Miteinander oftmals so schwierig gestalten?
»Können Sie uns etwas zu dem gestohlenen Lkw sagen?«,
wechselte er dann das Thema.
»Den hat der Davor Bardolic gefahren. Ich habe
zufällig gestern aus dem Fenster gesehen, als er auf das Betriebsgelände
zurückkam. Er hat den Wagen ordnungsgemäß abgestellt. Die Schlüssel werden dann
bei Harry Schädlich abgegeben. Das ist unser Hausmeister, nun ja, eher das
Faktotum im Betrieb. Der verwahrt sie in einem abschließbaren Stahlschrank.
Komisch«, überlegte Seifert mehr für sich selbst, »den Davor Bardolic habe ich
heute noch gar nicht gesehen.«
Sie bedankten sich bei Horst Seifert und entließen
ihn.
»Und wen nehmen wir uns jetzt vor?«, wollte Große
Jäger wissen, als der alte Mann das Zimmer verlassen hatte.
»Ich möchte die Herrschaften überraschen«, meinte
Christoph und bat seinen Kollegen, ihm zu folgen.
Als sie in das große Büro eintraten, in dem die
Angestellten ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, wurden sie mit großen
Augen und offenen Mündern angesehen.
Christoph steuerte auf den Schreibtisch der jungen
Frau zu.
»Ist es wahr, dass man Ihnen wiederholt Präservative
auf den Schreibtisch gelegt hat?«, ging er in die Offensive.
Ellen Heckert bekam einen feuerroten Kopf. Sie
schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, sah dann hilflos in die
Runde zu ihren Kollegen. Ihr Blick blieb beim alten Seifert hängen.
Der räusperte sich verlegen, tauchte dann hinter
seinem Schreibtisch ab und tat so, als würde er sich die Schnürsenkel neu
binden.
Totenstille herrschte im Raum.
»Das … das … das war ein Scherz«, stammelte die Frau.
»Wir sind hier eine fröhliche Truppe.« Sie schluckte heftig. »Das ist nicht so
gemeint. Wir verstehen uns hier blendend, haben eine hervorragende
Kollegialität.«
»Eine richtig große Familie …«, warf Große Jäger
ein.
Sie nickte übertrieben heftig. »Das kann man so sagen,
oder?« Wiederum ließ sie einen hilfesuchenden Blick in die Runde schweifen,
stieß aber nur auf regloses Schweigen der anderen.
»Wann hat man Ihnen das letzte Mal so übel
mitgespielt?«
»Heute Morgen«, kam zögerlich die Antwort.
»Wo haben Sie das Ding gelassen?«
Sie zeigte stumm auf den Papierkorb neben ihrem
Schreibtisch.
Große Jäger griff sich eine Büroklammer, bog diese zu
einem Haken auf und fischte das Kondom heraus, um es vorsichtig in eine kleine
Plastiktüte fallen zu lassen, die er aus seiner Brusttasche gezogen hatte.
Demonstrativ hielt er es hoch und zeigte es der
schweigenden Runde.
»Es ist für unser Labor kein Problem herauszufinden,
wer diesen Schweinkram zu verantworten hat«, gab er seinem Unmut freien Lauf.
Christoph zeigte auf einen der Angestellten, der mit
dicken Schweißtropfen auf der Stirn den Vorgängen gefolgt war.
»Würden Sie jetzt bitte mitkommen?«
Der Mann stemmte sich aus seinem Bürosessel und
stampfte schwerfällig vor ihnen her. Er war von einer erstaunenswerten
Korpulenz. Der ganze Körper schien nur aus Fett zu bestehen. Christoph schätzte
den Mann, der nur geringfügig größer als er selbst war, auf mehr als
einhundertfünfzig
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