Vom Himmel in Die Traufe
großen Silbertablett war eine Komposition von in Butter gebratenem Lachs, dünnen gerösteten Rennoisetten, Brustfleisch von gekochtem Schneehuhn und glasierter Rentierzunge angerichtet, der Rhapsodiecharakter wurde aufs Angenehmste unterstrichen durch die herrlichen Wild- und Steinmorchelsoßen, gegrillten Tomaten, Dillbutter, Champignons, Pommes duchesses, eingelegten Zwiebeln, Mixed pickles, Sanddorngelee und was sonst noch so dazugehörte.
Den Wein wählte diesmal Lena aus. Aus dem Angebot des Pohjanhovi bestellte sie zum Essen den angenehmen und erstklassigen Mouton-Rothschild Pauillac, und als der sich als ausgezeichnet erwies, wurde gleich noch eine zweite Flasche bestellt.
Lena erzählte, dass ihr Vater Gefallen an ebendiesem Wein gefunden hatte, als er als junger Offizier an der französischen Militärakademie studiert hatte. Hermanni und Ragnar wunderten sich nicht darüber. Der Wein war von 1983, also ein besonders guter Jahrgang.
Zufrieden registrierte Lena, dass ihr anverlobter Lebensretter, der fliegende Geselle Hermanni Heiskari, innerhalb von zwei Monaten gute Weine zu schätzen gelernt hatte und sich ehrlich über die Delikatessen, die vor ihm standen, zu freuen vermochte, unaufgeregt und entspannt wie ein Gentleman, der sich in der Welt der Genüsse bestens auskennt. Lena sah in ihm den edlen und wilden Guerillachef aus den Wäldern, der sich nach kurzer Eingewöhnung sogar in den höchsten Kreisen wie zu Hause fühlte.
Oberst Ragnar Lundmark, dessen Wangen bereits leicht glühten, hob sein Glas und schwärmte von den kommenden Monaten:
»Stell dir vor, wir besuchen eine Ausstellung von Salvador Dali in Zürich oder sonst wo, schlürfen in Paris die edelsten Weine der Welt, speisen zu Abend in der kameradschaftlichen Enge der Offiziersmesse eines argentinischen U-Bootes auf einem Atoll im Stillen Ozean …, machen einen Abstecher ins Nördliche Eismeer, um auf den Vogelklippen der Bäreninsel den wilden Schreien der Papageientaucher zu lauschen, oder wir reisen vielleicht nach Afrika in die Serengeti zu den wilden Tieren, ruhen uns nach einem heißen Tag unter dem kühlen Schutz eines Moskitonetzes aus …, nur um von diesen Ausflügen wieder in die Metropolen und die glamouröse Welt der Salons zurückzukehren. Und dort hoffen wir dich zu treffen, liebste Lena! Skål!«
Lena Lundmark verspürte das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen. Auch die Männer nutzten die Gelegenheit zu einem Besuch des Pissoirs. Dort standen sie einträchtig nebeneinander vor den Porzellanbecken, und Ragnar schwor mit dem Unterton des fürsorglichen Butlers:
»Vor uns liegt eine Folge fantastischer Genüsse, fast ein ganzes Jahr lang! Wir werden im Glück schwimmen! Wir können die besten Delikatessen der Welt genießen, sehen die schönsten Landschaften, riechen engelhafte Düfte, erleben die göttlichsten Dinge, alles, was sich auf dieser Welt nur derjenige leisten kann, der unermesslich viel Geld und ein ausgezeichnetes Organisationstalent besitzt.«
Als Lena an den Tisch zurückkehrte, erkundigte sie sich, was Hermanni von dem Programm hielt, das beim Abendessen zur Sprache gekommen war. Hatte er noch irgendwelche speziellen persönlichen Wünsche?
In bescheidenem Ton äußerte Hermanni, dass er, zusätzlich zu alledem, einfach nur den Wunsch des gewöhnlichen Vagabunden hatte, eine Reise um die Welt zu machen.
Lena warf ihm über ihr Moltebeerenparfait hinweg einen verliebten Blick zu und versprach:
»Aber natürlich, liebster Hermanni, Ragnar und du, ihr könnt in der Zeit sogar zwei oder drei Mal um die Welt reisen, es liegt ganz in eurem eigenen Ermessen.«
Im tiefsten Inneren fühlte sich Hermanni wie ein schmieriger Gigolo oder zumindest wie ein Pflegekind, ein Brathähnchen von Holzfäller, aber er hatte nicht die Zeit und eigentlich auch keinen Anlass, diesen Gedanken weiter zu vertiefen.
Dritter Teil
19
Hermanni und Ragnar brachten Lena am Morgen zum Flugplatz. Sie hatte es eilig und wollte über Helsinki nach Maarianhamina reisen, um sich ihren Geschäften zu widmen. Auf dem windigen Flugfeld umarmte Hermanni sie zum Abschied. Zum ersten Mal wünschte er sich, sie möge länger oder sogar für immer bleiben, und er wartete extra auf dem Flugplatz, bis er die donnernde Düsenmaschine in steilem Winkel zum Himmel aufsteigen sah. Er hatte einen Kloß in der Kehle, musste schlucken. Hermanni hatte sich verliebt. Ragnar Lundmark fand dafür die Worte:
»Wie mir scheint, herrscht in deiner Brust
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