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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Einrichtung. Auf mehreren Etagen waren Ausstellungen über Wald und Waldarbeit, Papierindustrie und Naturschutz untergebracht. Ragnar Lundmark hatte keine Ahnung gehabt, dass die fliegenden Holzfäller einem für die Volkswirtschaft so wichtigen Erwerbszweig zur Blüte verholfen hatten. Beim Rundgang durch die Ausstellungen gewannen die Besucher den Eindruck, dass fast alles auf dieser Welt irgendwie mit dem Wald, dem Holz und seiner Verarbeitung zusammenhing.
    Wenn der Waldarbeiter neben einem Baum stand, den er gefällt hatte, kam ihm gar nicht der Gedanke, dass aus seiner Hände Arbeit außer Stämmen auch Schnaps, Stoffe, Essen … und vor allem Geld wurde. Als Hermanni die Werkzeuge vom Beginn der Sechzigerjahre wie Äxte, Motorsägen und Transportschlitten betrachtete, überkam ihn Bitterkeit. Auch er hatte sich, verdammt noch mal, mit diesen Geräten in den tiefen Wäldern abgeplagt, er hatte den Wohlstand der Herren gemehrt und das Bruttosozialprodukt gesteigert. Und was hatte ihm das alles eingebracht? Er bekannte Ragnar gegenüber, dass in dieser Ausstellung, die ihn zwangsläufig an die Schufterei seiner Jugendjahre erinnerte, seine Entschlossenheit zur Revolte nur noch wuchs. Kein Wunder, wenn er in seiner Wut manchmal all die Herren Finnlands am liebsten erschießen würde. Einfach die ganze Bande, die Kasinoclowns und verfluchten Sanierer, aufmarschieren lassen und mit dem Maschinengewehr niedermähen!
    Von Savonlinna aus fuhren sie nach Helsinki, um Kleidung einzukaufen und bei Hermanni Maß nehmen zu lassen. In einem einschlägigen Geschäft in der Aleksanterinkatu durfte er aus dem Angebot an eleganten Stoffen jene auswählen, aus denen seine neuen Anzüge geschneidert werden sollten. Butler Ragnar beriet ihn diskret dahingehend, dass er Stoffe mit weichem Fall und aus Wollmischgarn nehmen sollte, deren Farben und Muster stilvoll, zugleich aber auch jugendlich waren. Drei Anzüge wurden bestellt, ein leichterer für Alltagszwecke, dazu ein zweireihiges Modell in fast blaugrauem Farbton sowie ein schwarzblauer Smoking.
    »Einen Frack können wir bei einem Schneider auf dem Kontinent in Auftrag geben, falls sich die Anschaffung als notwendig erweisen sollte«, entschied der Butler.
    Sie suchten noch verschiedene andere Geschäfte auf, um Hemden, Strümpfe, Unterwäsche, Krawatten und Fliegen einzukaufen. Die Wartezeit für die Anzüge betrug einen Monat, aber nach drei und einer halben Woche war vor der endgültigen Fertigstellung nochmals eine Anprobe erforderlich. Nun, die Zeit hatten sie, schon allein, weil Hermanni auf seinen Pass aus Inari warten musste.
    Ragnar erzählte von einer Methode, die früher praktiziert worden war. Wenn der Schneider einem Gentleman einen fertigen Anzug aushändigte, stellte er ihm zugleich einen Mann vor, den er selbst ausgewählt und der genau die gleiche Figur wie der Auftraggeber hatte. Dieser Mann, ein armer Schlucker zumeist, hatte die Aufgabe, den neuen Anzug nach Anweisung des Schneiders zwei Wochen lang täglich ein paar Stunden zu tragen, damit er sich richtig zurechtzog. Danach wurde das gute Stück sorgfältig gelüftet und gebügelt, und erst jetzt hatte es die endgültige Fasson, die der Auftraggeber akzeptieren konnte.
    »In England zum Beispiel wurden vor dem Zweiten Weltkrieg Studenten und Lakaien zum Probetragen, also für die Erstbenutzung von Anzügen, gedungen. Erforderlich war, dass die betreffenden Personen ein beherrschtes Wesen hatten, und sie mussten arm genug sein, sich auf die Sache einzulassen. Außerdem durften sie auf keinen Fall in dem Anzug öffentliche Feste besuchen, auch wenn es sich um Festkleidung handelte, denn dann wäre das gute Stück in der feinen Gesellschaft bereits bekannt gewesen.«
    Einmal war ein unvorsichtiger Erstbenutzer jedoch über die Stränge geschlagen und im nagelneuen Jackett eines Lords zu einer Studentenfeier gegangen, hatte noch ordentlich angegeben mit dem noblen Stück, hatte, an Alkohol nicht gewöhnt, zu viel getrunken und das Jackett sogar beschmiert, ehe man ihn achtkant aus dem Saal geworfen hatte. Der arme Bursche hatte dem Schneider den vollen Preis erstatten und somit seine Studien für mindestens ein Jahr unterbrechen müssen, denn damals kostete so ein Jackett ein Vermögen.
    »Zur finnischen Demokratie gehört kein Probetragen von Anzügen, sodass du die neuen Stücke sozusagen kalt anziehen musst«, sagte Ragnar bedauernd.
    Hermanni versprach, tapfer jenes Gefühl der Steifheit zu erdulden, das

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