Vom Himmel in Die Traufe
finnischer Außenminister gewesen. Hermanni hatte mit Ahti nach dessen Vortrag ein wenig gesoffen, und dadurch war ihm Ahtis Rede über die Direktiven zur Politik der Nordkalotte irgendwie entfallen.
Am nächsten Tag hatte er die Rede aus Erinnerungsbruchstücken selbst zusammengebastelt und in die Zeitung gesetzt, und daraufhin hatte es Knatsch gegeben. Hermanni hatte dem Minister Aussagen über die Nordkalotte in den Mund gelegt, die allgemeine Bestürzung hervorgerufen hatten, und nicht nur das Ministerium, sondern sogar das Büro des Staatspräsidenten hatte jede Menge Fragen beantworten müssen. Etwa, warum von Kemijärvi keine Bahnstrecke nach Salla und Petsamo gebaut werden konnte, damit Finnland im Gegenzug einen Winterhafen oben am Eismeer bekam.
Lena Lundmark äußerte, dass die fliegenden Gesellen hier oben im Norden recht umtriebig zu sein schienen, sie waren kompetent in allen Dingen und machten kaum Aufhebens um ihre früheren Verdienste.
Ragnar blickte Hermanni finster an und wechselte das Thema:
»Wenn du es mir nicht übel nimmst, bleibe ich bei meiner Empfehlung, dass du Gesellschaftstänze lernen solltest – ich selbst biete mich als Lehrer an –, und außerdem könnten wir an deinen Manieren feilen. Auch würde ich mir wünschen, dass wir der Bekleidungskultur mehr Aufmerksamkeit schenken und deine Weinkenntnisse vertiefen.«
»Nu denn.«
Jetzt bestünde auch die Chance, die Sprachkenntnisse des fliegenden Gesellen zu verbessern. Hermanni behauptete, in seiner Jugend eifrig Schwedisch und Englisch gelernt zu haben. Er hatte einen ganzen Winter in der christlichen Volkshochschule von Nivala verbracht, und zwar hatte er den sogenannten allgemeinen Kurs besucht …, dort hatten sie tüchtig Englisch gepaukt, zwei Stunden pro Woche, und zuvor hatte er bereits Grundkenntnisse durch sein Englischstudium an der Fernschule der Volksbildungsgesellschaft erworben. Um sein Können unter Beweis zu stellen, sagte er zu Lena, nachdem er sich die kunstvollen Formen der schwierigen Sprache ins Gedächtnis gerufen hatte:
»It’s very great what normal timberman is felling birch logs per day, my lady.«
Ragnar machte den Vorschlag, dass sie vielleicht im späteren Herbst zu einer intensiven Auffrischung der Sprache nach London reisen könnten. Er kannte in England eine sehr effektive Sprachschule, in der der Unterricht in Gesprächsform erfolgte. Vor allem im Rahmen der gemeinsamen Mahlzeiten und des abendlichen Beisammenseins konnte man dort die Nuancen der Alltagssprache erlernen, die vermutlich beim Fernstudium, durch die Umstände bedingt, weniger Beachtung fanden.
Auf Ragnars Liste standen außerdem eine Reihe anderer sympathischer Aktivitäten wie Golf, Segeln, Tontaubenschießen, Reitwettkämpfe, Galopprennen, Polo …, natürlich auch Schach und die Einführung in die Welt der internationalen Spielkasinos. Den letztgenannten Stätten sollte man sich allerdings mit gewisser Vorsicht nähern, mahnte er.
Lena Lundmark hielt es für wichtig, dass das Duo auf seinen Reisen nicht herumgammelte und sich mit irgendwelchen zweitklassigen und vulgären Dingen die Zeit vertrieb. Sie fand, dass man das Leben energisch und zupackend genießen sollte und sich nicht treiben lassen durfte, denn das beeinträchtige das Vergnügen. Doch ganz so gründliche Abenteuer wie jene, denen einst ihr Vater nachgejagt war, mussten es nicht gleich sein.
Ragnar las ein Beispiel aus seinem siebentägigen Wochenprogramm vor, demzufolge man sich den irdischen Genüssen mit der gleichen Intensität widmen würde, als wenn man zur Arbeit ginge.
Montag: Fahrt in irgendeine interessante Gegend, die man näher kennenlernen möchte. Falls vorhanden, Besuch des Militärmuseums.
Dienstag: Besuch der lokalen Natursehenswürdigkeiten.
Mittwoch: Genuss guter Speisen und Weine.
Donnerstag: Gänzlich dem Kunstgenuss gewidmet.
Freitag: Freiluftaktivitäten mit Abenteuercharakter.
Samstag: Besuch der Oper, des Spielkasinos oder des Theaters.
Sonntag: Ruhetag und Planung des Programms für die nächste Woche.
Nicht extra erwähnt wurde, dass jeweils an den Werktagen an Hermannis Aufstandsplan gefeilt werden und weitere militärische Informationen dazu eingeholt würden. Desgleichen würden Sprachen gelernt und mehrere Stunden der Beschäftigung mit der klassischen Literatur gewidmet.
In diesem Stadium des Abends war die Vorspeise verzehrt, und das üppige Hauptgericht, die »Nördliche Rhapsodie«, wurde serviert. Auf einem
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