Vom Himmel in Die Traufe
seinem Reisefieber genesen, dass man ihn zu Hermanni Heiskari und Ragnar Lundmark ins Hotel entlassen konnte. Nun galt es, die Situation zu erörtern.
Sorjonen war äußerst verwundert, dass beide Reisende munter wie die Fische im Wasser waren. Benommen aber hatten sie sich wohl eher wie Esel, ohne dass er damit irgendetwas gegen Esel sagen wollte. Ragnars Bein war nicht gebrochen, war es nie gewesen, und Hermanni litt garantiert unter keinen körperlichen Beschwerden. Beider Gesundheit war, abgesehen von einer leicht geschwollenen Leber, ausgezeichnet, resümierte Sorjonen nach einer kurzen Untersuchung.
Die Vagabunden mussten bekennen, dass sie, gelinde gesagt, allzu pessimistische Informationen über ihren Gesundheitszustand ins Heimatland und an Lena Lundmark geschickt hatten. Sie litten tatsächlich an keiner Krankheit, wenn man Fernweh nicht mitrechnete.
Obwohl Seppo Sorjonen ein Mann von Format war und für gewöhnlich mit seinen Nächsten keinen Streit suchte, konnte er Hermannis und auch Ragnars Verhalten nicht billigen. Als die beiden ihn dann auch noch baten, ihren Betrug nicht publik zu machen, sondern Lena mitzuteilen, dass die »Patienten« vorerst in Tahiti bleiben müssten, konnte er nicht umhin zu erklären, dass all dies grob gegen die ärztliche Ethik verstieß.
Sorjonen erkundigte sich, wie die beiden Kumpane auf die Idee gekommen waren, sich diese Suppe einzubrocken. Jetzt mischte sich Ragnar in die ethischen Überlegungen ein und erklärte, dass weder er noch Hermanni einen finnischen Arzt oder andere Finnen nach Tahiti gerufen hatten, sondern Lena hatte aus eigenem Antrieb und in der bekannten Art hysterischer Weiber Sorjonen, der ja sowieso nach Lissabon wollte, um einen Vortrag zu halten, auf die Reise geschickt. Außerdem, was war verkehrt an Tahiti? Dieser kleine Ausflug in die Südsee würde dem Doktor bestimmt nicht schaden, zumal er sich beim Verlassen des schmutzigen Finnland eine Grippe eingehandelt hatte, die sich womöglich durch den Kontakt mit Südostasiens Schankergeschwüren weiter verschlimmert hatte.
Nun fing Hermanni Heiskari seinerseits an, über die Vorteile nicht vorhandener Krankheiten zu philosophieren. Sie besserten sich von allein! Seiner Meinung nach gab es eigentlich gar kein ethisches Problem, weil es ja auch keine Krankheiten gab. Sorjonen könnte ihnen ein Attest ausstellen oder sie vielmehr gesundschreiben mit dem Vermerk, dass beide einigermaßen okay waren, Bilharz hatte sich als Einbildung erwiesen, und auch das gebrochene Bein war fester denn je. Aber dennoch benötigten die Patienten eine Rekonvaleszenzzeit, wenn nicht auf Tahiti, dann doch zumindest in Portugal. Mit anderen Worten, da beide auf dem Wege der Besserung waren, bedurfte es keiner Lügen mehr.
Sorjonen war noch so erschöpft von der langen Reise und dem hohen Fieber, dass er beschloss, auf weitere ethische Erörterungen und moralische Verurteilungen zu verzichten. Aus Dankbarkeit erbot sich Hermanni, dem Doktor als Sekretär zur Verfügung zu stehen und seinen Vortrag ins Reine zu schreiben, Sorjonen selbst könnte im klimatisierten Hotelzimmer liegen und Kräfte sammeln, lediglich morgens müsste er die am Vortag geschriebenen Seiten durchsehen und seinem Holzfällersekretär die erforderlichen Ergänzungen und Änderungen diktieren.
Hermanni erklärte, dass er von Kindheit an ein Mann der Feder gewesen sei, aber er könne natürlich keinen Vortrag über Orthopädie selber verfassen, da er kein Arzt sei und über das menschliche Skelett nichts weiter wisse, als dass Knochen Unheil verkündend knackten, wenn sie brachen.
»Aber selbst als Laie kann ich immerhin so viel sagen, dass hier auf Tahiti sogar das Schienbein eines alten Homos innerhalb weniger Tage geheilt ist, ohne dass die geringste Spur zurückgeblieben wäre«, erklärte er mit einem Grinsen in Ragnars Richtung.
Doktor Sorjonen schickte per Fax einen kurzen Bericht an Lena Lundmark nach Maarianhamina. Er teilte ihr mit, dass sich der Gesundheitszustand der beiden Herren so weit gebessert hatte, dass sie unter Aufsicht ihres Arztes nach Portugal reisen konnten.
Sorjonen wünschte einen Blick auf ihre Aufstandspläne zu werfen. Der Krieg als solcher interessierte ihn nicht, wohl aber die Verhinderung eines damit verbundenen Blutvergießens und die Organisation entsprechender Rettungsmaßnahmen.
Hermanni Heiskari und Ragnar Lundmark fragten verwundert, wie er von ihrem Projekt erfahren hatte. Hatte Lena Außenstehende in
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